Kesselkonstrukiton und die Anzahl der verleimten Holzlagen.

  • Nun reizt es mich doch auch, etwas dazu zu sagen:


    Das Hauptproblem ist in meinen Augen, dass nicht EIN Parameter (Kesselmaterial, Stärke, Felle, Gratung, Stimmung, Raumeinwirkung etc.) isoliert betrachtet werden kann, da es bei einem Drumset praktisch nicht möglich ist, dass alle anderen Parameter verlässlich konstant gehalten werden können.


    Ich habe mal Gitarrenbau gelernt und wir haben schon vor 20 Jahren mit massivem Messtechnik-Einsatz versucht nachzuvollziehen, ob sich der Effekt, dass eingespielte Gitarren (hier Konzert-Gitarren) deutlich besser klingen, auch via Messwerten nachweisen lässt: Hier gab es - wie in dieser Diskussion - verschiedene Glaubensfraktionen.. und wie in einem Vorpost geschrieben, sogar Kollegen, die Gitarren über Wochen beschallt haben, um sie vor dem Verkauf quasi künstlich einzuspielen.
    Fakt war, dass sich der Effekt tatsächlich nachweisen ließ: Es war eben nicht nur Glaube, sondern es gab tatsächlich eine deutlich messbare Auswirkung, und die lässt sich sogar theoretisch erklären: Im Prozess der "Verholzung" der Zellen im jeweiligen Holz (Verlust von Wasser über die Jahre) nehmen die Zellen eine Struktur an, die mit der Anregung durch den Schall korrespondiert.
    Zum Verständnis: Wenn ich eine Kiste mit Metallspäne fülle, werden diese sich anders sortieren, wenn ich z.B. einen 80Hz-Ton auf die Kiste einwirken lasse, als wenn ich das nicht tue. Die Metallspäne ordnen sich in direktem Zusammenhang zu den Frequenzen, die ich auf sie einwirken lassen an.
    Nehmen wir jetzt an, ich würde eine Gitarre jahraus, jahrein mit 440Hz beschallen, dann würde das dazu führen, dass genau diese Frequenz über die Zeit stärker resonieren würde. Wenn ich eine Gitarre immer sauber auf einen Referenz-Ton stimme und mich tagtäglich durch die Tonarten spiele, habe ich irgendwann Verbesserungen der Resonanz in genau dem Bereich, in dem ich eben gespielt habe.
    Das ist tatsächlich nachweisbar. Bei einer Gitarre wird das von fast allen Spielern als positiv und angenehm empfunden, weil auch die harmonischen Obertöne verstärkt werden.


    Jetzt ist eine Gitarre kein Schlagzeug. Das Prinzip ist aber ähnlich. Auch hier wird permanente Anregung - ob durch direktes Anschlagen oder Mitschwingen - auf Dauer Auswirkungen haben. Daher bin ich überzeugt, dass ein 50 Jahre gespieltes Set mit Holzkesseln anders klingen wird, als es zum Zeitpunkt der Herstellung geklungen hat. Aber eben: anders! Ob es nun besser klingt, ist eine ganz andere Frage.


    Und es macht in meinen Augen keinen Sinn, darüber zu streiten, ob nun der eine oder andere Parameter ein Drumset toll oder scheisse klingen lässt: Das ganze ist ein sehr, sehr komplexes System, in dem die verschiedenen Parameter zueinander in WECHSELWIRKUNG stehen. Das macht es so verdammt schwer, hier tatsächlich Vergleichstests hinzukriegen, die eine Beweiswert haben können.


    Was wir aber alle tun, ist, dass wir Erfahrungen mit den Instrumenten machen, die wir spielen - vor allem, die wir länger spielen: Wir nehmen automatisch Vergleiche mit anderen Instrumenten vor, die wir kennen und setzen in Beziehung. Das ist natürlich hochgradig subjektiv (ich MÖCHTE auch, dass ein Set besser klingt, für das ich ein paar Tausender mehr bezahlt habe, oder dass ich schlicht wegen geiler Optik gekauft habe und mir das nicht wirklich eingestehen möchte).
    Trotzdem sagt z.B. dann ein Profi wie Mike Portnoy, dass er auf der Bühne das Tama SC Mirage nur wegen der Optik spielt und im Studio doch lieber Bubinga/Birch oder Bubinga spielt, weil es ihm eben eher den Sound bringt, den er haben möchte. Ja spinnt der Mann jetzt, oder ist es vielleicht schlicht so, dass wir durch unsere Spiel- und Hörerfahrungen schlicht "Mittelwerte" bilden und somit Tendenzen für das eine oder andere Fell, Kesselmaterial, Aufhängungssystem, Stimmung, Gratung etc. entwickeln?


    Um nicht falsch verstanden zu werden: Verdammt viel wird durch Marketing ÜBER-betont, d.h. größer gemacht, als der tatsächliche Einfluss z.B. eines Kesselmaterials tatsächlich sein mag. Trotzdem heisst das eben nicht, dass dieser Parameter als unbeteiligt abgetan werden sollte. Natürlich hat das Kesselmaterial eine Wirkung auf die Schwingungs-Charakteristik. Das heisst aber nicht, dass Bubinga z.B. besser als Pappel klingt, nur weil es teurer ist.
    Es klingt ANDERS. Unter Umständen sogar nur MINIMAL anders. Der Rest ist in erster Linie auch eine Geschmacksfrage.


    Ich persönlich mag z.B. auch Roto-Toms, andere finden die Dinger einfach nur scheisse ;)


    Schön, dass jeder seine eigenen Sound-Favoriten hat... und ich habe schon Schlagzeuger gesehen, die auf Müll-Sets gespielt haben und FÜR MICH großartig klangen...


    Ich traue mir nicht zu, im Blindtest Kesselmaterialien zu erkennen - dazu gibt es zu viele andere Parameter, die Ton-bildend sind; ich traue mir aber zu über viele dutzend gespielter Snares im Mittel eine TENDENZ auszumachen, die eben auch nur im Mittel hörbar sein KANN - aber eben nicht muss.


    Wir können leider immer nur einen kleinen Ausschnitt vom Ganzen wahrnehmen... und nur in Beziehung zu dem setzen, was wir selbst kennen... Subjektiver geht´s eben nicht... aber das heisst nicht, dass ein Parameter wie Kesselmaterial keine Auswirkung auf die Ton-Bildung des Gesamtsystems Trommel hat.


    Also: Spielen, spielen, spielen... und das Set anschaffen, das uns anspricht (wo also die Kombination aus Sound, Haptik und Optik zusammen passt)....


    Sven

  • sehr toller Beitrag! Sehe ich auch so...


    Apropos andere Instrumente...


    die legendäre Stratovarius Geige (paar Hundert jahre alt) muss angeblich täglich gespielt werden, sonst würde die nach einer Zeit nicht mehr klingen...also ist da was dran mit dem Material von Instrumenten im allgemeinen, aber eben sehr Komplex wie oben beschrieben...

  • Hier wurde von Drummern gesprochen, die eine Holzsnare von eine Stahlsnare nicht unterscheiden konnten. Seriously ?
    GERADE bei Snares lässt sich jeder kleinste Unterschied raushören. Ob das ein halbes Zoll an Tiefe ist, oder 3 Holzlagen.


    Na dann mal los, bin ich ja gespannt und Jürgen bestimmt auch versuch Dein Glück. Einfach kurz sagen was Holz und was Metal ist, es sei denn Du kennst das schon. Antwort gern über PN.
    Sorry für OT, aber so was regt mich auf X(
    Greez Josh

  • Sofern man das auf Aufnahmen beurteilen kann..:


    1. Stahlsnare 14x6 oder 14x7
    2. Holz, 14x ~6
    3. Noch nie eine Snare gehört die annähernd so klingt. Vermutlich Metall..
    4. Stahl, 13x~6 oder 14" sehr hoch gestimmt
    5. Holz, 13x~5
    6. 13x~6 eindeutig Birke
    7. Bronze oder Messing, 14x~6,5
    8. Holz, 14x7 oder 14x8
    9. Stahl, 13x5
    10. WOW. 14x~7, GUTER Ahorn.

  • Zitat

    GERADE bei Snares lässt sich jeder kleinste Unterschied raushören. Ob das ein halbes Zoll an Tiefe ist, oder 3 Holzlagen.

    Kannst Dir ja selbst ein Bild machen, aber leider keine 100% auch wenn's ja soo einfach war.
    Greez, Josh

  • @ zwaengo, das war hier mal ein sehr informativer Beitrag. Wirklich toll :)


    ich finde das ganze mit der Klangbildung auch hochkomplex. Ein Laie wird es wohl kaum schaffen alle Einflussfaktoren zu überblicken und diese in Relation zueinander bringen. Dein Beitrag hat schonmal viel dazu beigetragen, zumindest mein Verständnis dahingehend, zu erweitern.

  • Mahlzeit,


    man hört also doch einen unterschied


    Zitat

    jeder kleinste Unterschied


    Zitat

    halbes Zoll an Tiefe


    Zitat

    14x6 oder 14x7


    Zitat

    14x7 oder 14x8


    Zitat

    3 Holzlagen


    Zitat

    GUTER Ahorn


    Ich finde, Apollinaris schmeckt quellfrisch.
    Vittel hat einen erdigen Abgang. Rosbacher erinnert im Mittelgang an eine Blumenwiese im Frühling und Gerolsteiner ist scharf-frisch.


    Ein guter Kessel hat eine Lage Kupfer und wurde drei mal behämmert. Dann schmeckt die Suppe einfach köstlich, egal ob Maggi oder Knorr.


    Grüße
    Jürgen

  • Ich gebe zu, ich habe auch meine Zweifel, ob das Ergebnis ganz ohne "Hilfe" zustande kam. Aber sollte Zunge tatsächlich unser Forums-Goldohr sein, dann sei ihm das gegönnt.


    Der damalige Test hat gezeigt, dass die wenigsten der Mitrater auch nur 70-80 % korrekt hatten, etliche lagen sogar bei unter 50%. Ohne es ausgewertet zu haben, schien es mir ziemlich einer Gausschen Normalverteilung zu folgen.


    Als definitive Aussage empfinde ich das keinesfalls, in die eine wie die andere Richtung. Aber im Umkehrschluss ist für mich ein Klangelement, bei dem man mit (hier i.d.R. anzutreffenden) geübten Ohren nur bestenfalls eine 1:1 Chance hat, auf das Material zu schließen (wahrscheinlich mathematisch total falsch, hatte nie Stochastik), nicht der Mühe wert, so viel Beachtung bei der Trommelauswahl zu finden.


    So, und nachher gehe ich ins Musikgeschäft und schaue mir an, welche neuen Holzkombinationen der Markt bereit hält. Werde morgen berichten, welche Kessel aktuell für welche Musik zu empfehlen sind. ^^

  • Also fassen wir zusammen. Das Holz hat einen gewissen Einfluss auf den Charakter des Kessels. Somit wird Birke wie Birke, Ahorn wie Ahorn und Bubinga wie Bubinga klinen, wie auch ein Sonor wie ein Sonor, ein Mapex wie ein Mapex und ein Tama wie ein Tama klingen. Vielen dank für eure Beiträge


    Beste Grüße
    Chris

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!