Billy Cobham im Colos-Saal (11. März 2013)

  • Gestern war es soweit: Der Meister rief und viele kamen.
    Die Billy Cobham Band gastierte im Colos-Saal in AB. Billy
    war schon öfter im schönen Aschaffenburg, das letzte mal
    2012 mit dem Projekt "HR-Bigband plays Mahavishnu". Die
    Bühne war angerichtet und inmitten selbiger glitzerte
    das fette Doublebass-Yamaha in gold(?)-sparkle mit vielen
    Toms in der Billy-typischen, unorthodoxen Anordnung, drei
    großen Crashes, Ride & China nebst einer Latin-Abteilung
    links des Fahrersitzes, die aber von mir nicht einzusehen war.
    Auf jeden Fall dabei waren Timbale(s) und Cowbells. Der
    Durchschnittsbesucher war männlich, Ü50, grau und Trommler
    oder zumindest Trommel-affin. Die restlichen 20 % wurden
    vom Rest der gesellschaftlichen Schichten abgedeckt, sprich:
    Frauen, junge Menschen, Gitarristen und anderes Gesocks.
    Der Colos-Saal war gut besucht, aber nicht knackevoll. Das war
    mir ganz lieb. Die Band trat mit folgender Aufstellung an:
    Jean-Marie Ecay - Gitarre, Michael Mondesir - Bass, Camelia Ben
    Naceur - keyboards, Steve Hamilton - Keyboards. Und die Band
    war eine richtige Band und keine Ansammlung seelenloser hired
    guns. Prima. Geboten wurde das, was alle erwarteten: Fusion.
    Es klang schwer nach 70er und 80er, als Fusion noch Jazzrock
    hieß. Das kann man als altbacken bemängeln oder als authentisch loben,
    je nach Standpunkt. Billy ist nach wie vor ein grandioser Trommler. Er
    hat richtig Zug am Seil, spielt technisch brillant und immer noch
    kreativ. Seine Handscchrift ist unverkennbar und er klingt immer nach
    sich selbst. Man merkt auch wunderbar, welchen Einfluß der Herr auf die
    Trommlerwelt ausgeübt hat. Bei Simon Phillips (Quadrant 4 -
    Space Boogie) oder Rod Morgenstein kann man die Vorlagen ziemlich
    klar zuordnen. Billy hat eine unglaubliche Dynamik und er setzt
    sie sehr effektvoll und musikalisch ein. Bei leisen Buzzrolls spricht
    nicht mal der Teppich an. Ja richtig, man konnte das hören und
    zwar weil zum einen wohl kein Gate verwendet wurde und zum
    anderen der Drum- und der Gesamtsound sehr gut waren. Das
    Set war auch super gestimmt, insgesamt eher hoch und sehr klar
    mit vielen Obertönen. Es war ein sehr natürlicher Drumsound.
    Die gute Stimmung hörte man insbesondere bei Billys Spiel mit
    vier Sticks auf den Toms. Das hat ordentich gerummst und es klang
    sehr rund und in sich stimmig. Ansonsten sparte er nicht mit den
    gewohnten Zutaten wie Cross-Stickings, halsbrecherischen Unisonoparts
    in allen möglichen Metren und als das Trademark schlechthin die
    super knackigen Single Stroke Rolls in Lichtgeschwindigkeit - oder
    zumindest nahe dran. Ich weiß nicht wie er das macht, aber sein
    Snarespiel ist unglaublich sauber und akkurat, egal ob Singles, Doubles,
    Buzzes und was weiß ich... Es klingt fast schon aseptisch. Das ist ja
    auch so ein Cobham-typisches Erkennungsmerkmal. Wer wollte, konnte
    also eine 1a Drumming-Lehrstunde mit nach Hause nehmen.


    Ein bißchen Meckern muß aber auch sein. Manchmal beschlich mich
    das Gefühl, daß Cobham darunter leidet, daß er Cobham ist. Soll
    heißen: Er muß ständig etwas anbieten. Auch wenn die Solisten
    mal nichts weiter brauchen, als einen steady Groove ohne alles, bei
    Billy bleibt es selten dabei. Da wird variiert, er geht von der Hihat
    aufs Ride, er dreht mal was rum, flickt ein paar leise, "subtile" (?) Breaks
    ein, bei denen er von hinten durch die Brust wieder auf die Eins kommt.
    Alles prima, aber es hätte auch nur der nackte Groove getan. Imho
    sogar besser und.... was jetz käme wäre Blasphemie. Das geht hier nicht.
    Und außerdem ist das ein Billy Cobham-Gig. Bei Steve Vai müssen auch
    die Gitarren-Stunts dabei sein. Sonst könnte man ja gleich zu Ricky King
    gehen. Oder so ähnlich. Billys Restmusiker können spielen wie Hölle,
    wobei die Grooveabteilung aus dem Bassisten und der Dame an den Keys
    besteht. Sie bestach mit unglaublich groovigen, plakativen Soli, die
    technisch natürlich brilliant waren. Ebenso eindrucksvoll fand ich den
    Saitenquäler, der von richtig clean jazzy über typische
    Fusion-Manierismen souverän eine weite Bandbreite präsentierte. Guter Mann. Mein
    persönliches Highlight des ersten Sets war natürlich Stratus. Das Tempo
    war recht hoch und Cobham und Co. wagten sich recht weit von der
    Studiofassung weg. Das gefiel mir sehr gut, einzig die Double Time beim
    Gitarrensolo hat mich etwas verschreckt. Das zweite Set kam mir
    homogener vor und kam noch bandmäßiger über die Rampe. Billy kam bei
    seinen vier, fünf Ansagen sehr sympathisch und warmherzig rüber. Das
    habe ich auch schoin viel kühler erlebt. Prima. Ich weiß gar nicht, wie
    lange der Gig dauerte. Für mich war nach der Zugabe das Klassenziel erreicht.


    Unterm Strich: klasse Band mit einer Legende am Set, cooler old school
    Fusion und 1a Sound.


    Billy rlz!


    fwdrums

    nontoxic: kurze lange CD-Pause

  • Scheisse! Wieso hab ich das denn verpasst? War erst neulich im Colos-Saal bei Dandylion und da lief auf der Leinwand vor der Bühne noch Werbung und Musikvideos von den
    demnächst dort spielenden Künstlern. Cobham hab ich da irgendwie nicht auf dem Schirm gehabt...
    Aber trotzdem Danke für den tollen Bericht!! Gibt's auch irgendwelche Fotos?

  • Danke für den Bericht, Frank - liest sich nach einem wirklich guten Abend (und ließ mich gerade daran erinneren, als ich Anfang der 90er auf der Musikmesse, als es bei den Herstellern noch diese Mini-Kabinen gab, mal direkt neben Billys Floortom stehen konnte - heute noch ein Gänsehaut-Moment).


    Viele Grüße


    Jens

    Galerie


    Amateure üben solange, bis sie es richtig machen. Profis trainieren solange, bis sie es nicht mehr falsch machen können.

  • Sowas würd ich mir hier öfters wünschen. Super!


    Ich habe Cobham (ich glaube) 1997 zum ersten mal gesehen. Damals lud ein grosses Musikkaufhaus aus Köln zum Jubiläum nach Köln ins E-Werk. Zig Trommler. Viele der ganz grossen.
    Da stellte sich ein junger Mann vor, er hätte so ein Jugendpreis gewonnen und würde jetzt hier trommeln wollen. Er hiess Ralf Guske.
    Und zwei Trommler blieben mir in besonderer Erinnerung: Dirk Sengotta und Akira Jimbo. Jeder zockte da auf seine Art so, dass ich es bis heute nicht vergessen habe.
    Aber an Billy kann ich mich kaum noch erinnern. Ich weiss noch, dass ich das damals technisch ganz toll fand...aber langweilig. Meiner Begleitung ging es genauso. Ich glaube er hatte sich im Gegensatz zu den Anderen nicht ganz so gut vorbereitet.

  • Toller Bericht - danke schön!


    Vllt. als kleine Ergänzung: ich durfte BC vor zwei Jahren auch 'mal live (und hautnah) erleben, und mich hatte da außerdem wieder einmal seine extreme Beidhändigkeit schwerstens beeindruckt. (Aber dieses unglaubliche "mir-ist-egal-ob-ich-diesen-einen-Schlag-jetzt-mit-rechts-oder-links-mache" ist den älteren hier eigentlich auch schon bekannt.)


    Gruß - R.

  • Sensationell schöner Bericht der Bilder und Musik im Kopf macht (selbst wenn man nicht dabei war). :thumbup:

  • hatte mir das datum schon seit langem eingeplant, war aber krank. deshalb ist die freude und der frust ob deines sehr lebhaftem berichtes gleichermaßen groß...vielen dank.
    habe billy cobham schon oft live gesehen (mit schmied und noya) jedoch noch nie mit stratos live.


    Vielen dank nochmals

  • Danke einmal mehr Fraenk für einen packenden Konzertbericht! Mist, dass ich das verpennt habe. Ich habe aber auch tolle BC Live Erlebnisse hinter mir, das schönste ein lau-sommerliches OpenAir auf der Burg Neuleinigen in der Pfalz ca. 2000


    den Termin in Frankfurt Anfang Mail sollte ich mir vormerken

    now, this little number is in thirteen. it's subdivided 5 8 and 4 4, if you wanna clap your hands: one two one two three one two three four .... pretty good! FZ (1940 - 1993)
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