Die freie Improvisation der Woche: Sinus - Das Ohr am Becken

  • Hallo liebe Schlagzeuger-Kollegen. Von mir gibt es auch noch etwas zu hören, bevor das Jahr vorüber ist.


    Eine Sache, die mich an Becken begeistert hat seit ich mein erstes Ride erkundete ist, was für ein unglaubliches tonales Spektrum ein grosses Becken abbildet und wie es klingt, wenn man sich mit den Ohren dem Cymbal nähert. Die fantastisch tiefen Töne, dass Obertonspektrum und wie lange es klang, hat mich damals schlicht umgehauen.


    Ich bin allerdings nie auf die Idee gekommen, diese Klangfarben einmal so, wie man sie hört wenn das Becken direkt neben den Ohren klingt, musikalisch zu verwenden. Dazu bot sich erstens wenig Gelegenheit und zweitens erschien es mir immer einigermaßen kompliziert, so etwas aufzunehmen. In den letzten Jahren habe ich aber viel experimentiert und zum Beispiel herausgefunden, dass Becken mit sehr unterschiedlichen Methoden angeregt werden können, auch ungewöhnliche Klänge von sich zu geben. Einiges davon ist dem, was man in der Nähe eines Beckens zu hören bekommt, sehr ähnlich.


    In diesem Stück werden Becken hauptsächlich mit einem Bassbogen gestrichen oder mithilfe eines Massagestabes in Schwingung versetzt. Das Verkaufsgespräch mit der Verkäuferin im Sexshop (es ging darum welcher ihrer Dildos dem leisesten Motor besitzt) ist sehr unterhaltsam gewesen ("Nein, in diesem Fall ist die Größe tatsächlich ganz unwichtig...").


    Hier ist das Ergebnis: "Sinus"


    Viel Vergnügen - und allen hier im voraus ein schönes neues Jahr.

  • [...] Sind tatsächlich alle Sounds [...] von dem Becken?


    Ja, aber: natürlich ist die Aufnahme tontechnisch bearbeitet. Es gibt einen künstlichen Hall (Lexicon PCM80), der die Abbildung des Grundtons sehr unterstützt. Dies und gezielte Kompression führt dazu, dass defensive Klangfarben nicht mehr überlagert werden. Das Sopransaxophon spielte übrigens Manuel Miethe.

  • Wow bis auf das Sax würde das gut zu Pink Floyd passen. :P Ist wirklich sehr geil gemacht,auf die Idee bin ich auch noch nicht gekommen.Einfach klasse.
    lg Marcel

    Immer ein Handtuch dabei haben!!!!

  • Hey,


    ich finde das ganze sehr interessant und bin sehr überrascht was man alles an Klang aus einem Becken holen kann.
    Musikalisch sagt mir das Ganze leider überhaupt nicht zu und teilweise ist da ein sehr fieses quietschen bei gewesen. Das tat richtig weh in den Ohren.
    Nichtsdesotrotz: Vielen Dank dass du das mit uns teilst!



    Gruß
    Humpf

  • [...] Welches Vibratormodell [...] ?


    Auf die Frage habe ich natürlich gewartet! Es ist etwas ähnliches, wie dieser Nature Skin Colours Mini Vibe hier. Aber ich werde mich noch nach einer Alternative umsehen, die noch weniger Ähnlichkeit mit einem Genital besitzt. Ich will niemanden von der Musik ablenken.


    Meine Cymbals sind ja kein großes "Mystery" - ich benutze ständig die selben und auch hier waren es ein 20" Constantinople Light Ride und ein 18" Istanbul Mehmet, mit einer leichten 14" Ufip Natural Hi-Hat und einem 8" Ufip Natural Splash.


    Ich habe ausserdem grade festgestellt, dass Eure freundlichen Kommentare echt gut tun, nachdem ich die halbe Nacht gearbeitet habe und mich grade mal wieder fragte, ob das wirklich so ein toller Beruf ist oder ob´s mich nicht echt zu sehr nervt, für relativ wenig Geld dieses selbstausbeuterische Pensum abzureissen. Man sollte vielleicht nicht vor dem ersten Cappuccino über so etwas nachdenken, aber mir ging es eben gerade ein wenig trübe und es ist toll zu lesen, dass jemand Spaß an der Musik hatte. Der Gedanke hat mich eben wirklich wieder hochgebracht: "Aha - es ging ja um Musik..." . Also, jedenfalls Danke ich allen, die bisher Spaß daran hatten und so nett gewesen sind, dass hier hin zu schreiben. Natürlich bin ich auch mit jeder anderen Resonanz zufrieden und danke auch denen für Ihre Meinung, die diese Musik nicht ausgesprochen mögen.


    Und jetzt steht da meine Gattin mit einem Cappuccino in der Tür, ich wünsche Euch allen ein schönes Wochenende.

  • Auf die Frage habe ich natürlich gewartet!


    Wenn man sich versteht, funktioniert die Vorlagenverwertung.


    Man sollte vielleicht nicht vor dem ersten Cappuccino über so etwas nachdenken, aber mir ging es eben gerade ein wenig trübe


    Dann mal rein damit, und gutgehnlassen!

    -
    Gesendet von meinen Babyphone mit Papatalk

  • Sehr schön musikalisch umgesetzt. Für meinen Geschmack ist das nur etwas zu sehr verhallt.


    Übrigens habe ich mir vor einem halben Jahr auch einen Geigenbogen besorgt (habe im hiesigen Geigenbaugeschäft einfach nach dem günstigsten Bogen zum Experimentieren gefragt und bekam darauf hin einen Ausschussbogen gegen ein kleine Spende in die Kaffeekasse) und freue mich über die Klänge, die sich damit zaubern lassen. Allerdings finde ich sie noch ein wenig schwer zu kontrollieren - Streichen will gelernt sein!
    Übrigens kann man sich ach prima einen Wasserbottich daneben stellen und durch das Eintauchen der Becken die Tonhöhe verändern.
    Und was für die Nahaufnahme noch interessant ist: Hält man die halbhohl geformte Hand nahe über das Becken und variiert die Höhe der Hand, dann passieren auch sehr lustige und subtile Effekte.


    Das mit dem Vibrator ist mir neu, allerdings habe ich schon Leute gesehen, die mit einem Aerolatte Milchaufschäumer tolle Sounds aus Becken und Trommeln herausgeholt haben.


    Schönes Wochenende und gräme Dich nicht über die viele Arbeit für das wenige Geld. Ich glaube, das geht uns allen immer wieder mal so...


    Gruß
    Sven

    "If you don't feel it, don't play it." James Jamerson

  • [...]Streichen will gelernt sein! [...]


    Wie wahr! Ich habe auch mittlerweile begonnen es richtig zu üben und bin immer ganz glücklich darüber, wenn ich kleine Fortschritte höre.


    Zu den Hallräumen muss ich vielleicht erwähnen, dass viele, die heute freie Improvisation oder Free Jazz aufnehmen, die Aufnahmen bewusst trocken lassen. Maximal durchhörbar und beinahe wissenschaftlich kühl. Ich selbst habe da den Reflex, Widerstand zu leisten, weil ich die Ergebnisse oft als aufdringlicher und anstrengender empfinde als die musikalische Darbietung selbst gewesen ist. Ich wollte der vorherrschenden Skepsis, dem künstlichen Raum gegenüber ein Stück entgegensetzen, bei dem der künstliche Raum eine eigene Funktion hat - er unterstützt in meinen Augen (oder Ohren) den fließenden Charakter. Das Genre nennt sich zwar "Freie Improvisation" aber es entstehen nicht zuletzt an den Hochschulen immer wieder Dogmen, deren Sinn man auch in Frage stellen kann. Das hat ja mit "Freiheit" nicht viel zu tun, aber diese Tendenzen sind wohl unvermeidlich.


    Andere Stücke (zum Beispiel zeigt dieser Ausschnitt ungefähr meine normale Präferenz) sind bei mir gewöhnlich einfach so gemischt, dass der Raumanteil so natürlich und gefällig wie möglich wirkt. Ich glaube fast ich fürchte das Hall-weglassen-Dogma auch, weil ich nicht einsehe, weshalb diese Musik noch nüchterner klingen sollte als sie in Wirklichkeit ist. Aber ich gebe jedem recht der behauptet, viel mehr Hall hätte es hier auch nicht sein dürfen, wenn das Ding nicht absaufen soll. Es ist also auch ein Experiment und vielleicht gehe ich noch mal zurück in die Mischung und entschlacke das Saxophon.


    Das andere ebenfalls von ihren Experimenten erzählen, finde ich jetzt richtig spannend. Vielleicht sollten wir mal einen Thread zum Thema "Präparierte Schlaginstrumente" eröffnen. Mit detaillierten Bebilderungen und Klangbeispielen, wird das eine spannende Sache. Falls niemand schneller ist und ich nicht übersehen habe, dass es so etwas schon längst gibt, mache ich das nächste Woche.

  • Wirklich genial! würde zu gern mal ein Video aus dem Studio dazu sehen. Vor allem das supertiefe - ich nenns mal brummen- bei 3:12 macht mit subwoofer besonders spaß zu hören :thumbup: .
    Zum Thema Kino fällt mir da sofort "Spiel mir das Lied vom Tod" ein. Sowas hätte der Herr Morricone damals gut gebrauchen können ;)


    hast du dafür eigentlich jedes Becken einzeln mikrofoniert?

  • Hi,


    gefällt mir weitgehend, auch wenn ich eigentlich zu dem Genre Experimentalmusik
    (pack ich Deine Musik auch mal mit rein) wenig Zugang (= Zuneigung) habe.


    Auch bei Dir, kurz vor'm Ende des Stückes, "sizzelt" (leider) der Beckenständer mit.
    Kenn ich nur zu gut: solche Nebengeräusche nerven mich immer, wenn ich mit
    Filzschlegeln auf meinen Becken zugange bin.


    Ansonsten also: weiter so! :thumbup:


    Gruß - R.

  • Das andere ebenfalls von ihren Experimenten erzählen, finde ich jetzt richtig spannend. Vielleicht sollten wir mal einen Thread zum Thema "Präparierte Schlaginstrumente" eröffnen. Mit detaillierten Bebilderungen und Klangbeispielen, wird das eine spannende Sache. Falls niemand schneller ist und ich nicht übersehen habe, dass es so etwas schon längst gibt, mache ich das nächste Woche.


    Daran habe ich auch vorhin gedacht. Sofern meine Zeit das erlaubt, könnte ich dann vielleicht auch ein paar "How To"-Filmchen dazu drehen.


    Das mit dem Hall war übrigens nicht so gemeint, dass ich es ganz ohne besser gefunden hätte. So ist es mir nur etwas zu viel Zuckerglasur auf dem Kuchen, der ganz ohne zu fade wäre.

    "If you don't feel it, don't play it." James Jamerson

  • klingt wirklich heftig.


    Ich finde es sagt doch alles wenn man es schafft den Hörer mit Hilfe von Experimentalmusik davon abzuhalten den Stopknopf zu drücken.


    Wenn man überlegt, dass dieses Becken nur ein gaaaanz kleiner Teil eines Drumsets ist und man solche Töne rauskitzeln kann.


    (und es gibt Banausen die schlagen auf sowas ein --> unvorstellbar)


    Somit beuge ich mein Haupt und zolle Respekt vor Deiner Arbeit!!!


    Es lebe der Dildo !!!!!!!


    und jetzt ZACK ZACK, runter mit dem Cappuccino und rann an den nächsten Song wir haben nicht den ganzen Tag Zeit !!!!!


    Grüße und ein gutes, neues Jahr an alle !!!!!

    Bin vor kurzem besoffen auf die Bühne gefallen und hab mit schrecken festgestellt, dass ich Superstar bin...
    (üben wird total überbewertet)


    Hier mehr zu mir und zu meinem Kit.... klick mich

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