Gesprächsbedarf: Ein Leben lang Geld verdienen mit Schlagzeug spielen?!

  • Frust gibt es in jedem Job, selbst der absolute Traumjob ist auch mal anstrengend und frustrierend. Natürlich ist die sensible Kaste der Musiker oft von Selbstzweifeln geplagt, das erfahre ich auch von allen Seiten.
    Aber Selbsthinterfragung ist bis zu einem gewissen Punkt durchaus positiv. Gratis Saufen bei den Gigs auch. ;)
    Ich befinde mich in der von Daniel beschriebenen Situation, ich habe ziemlich viele Schüler und einige gut bezahlte Jobs mit eigenen Bands.
    Für deine zukünftige finanzielle Situation solltest Du erst mal klären ob du "Dienstleister" werden willst oder "Künstler". Es gibt natürlich noch einiges dazwischen.
    Ein zweites Standbein ist auch sehr zu empfehlen. Nicht jeder sollte, kann oder will Unterricht geben um sein Grundeinkommen zu decken. Wenn Du also noch eine andere Möglichkeit hast Dein Geld zu verdienen, hält das vielleicht deine Spielfreude und Deine Ohren länger "dauerfrisch".


    Wichtig finde ich, die Bereitschaft flexibel und belastbar zu sein, eine positive, ehrliche, ausgeglichene und zuverlässige Persönlichkeit zu haben; und natürlich musst du eine sehr gute spieltechnische Grundlage verfügen. Da sind die Anforderungen viel höher als vor 30 Jahren. Es gibt genügend "Möchtegern- Profis" die versuchen davon zu leben, und es irgendwie nie zu was bringen. Wichtig finde ich es auch irgendwann, nach dem man vieles probiert hat, eine oder mehrere Nische(n) zu finden, die einerseits lukrativ sind und die Du überzeugend bedienen kannst und willst.


    Neben den ganzen Forumstips würde ich Dir empfehlen, dir eine Art "Mentor-Freund" zu suchen, der muss nicht unbedingt Trommler sein, er kann auch irgendwas anderes mit Kunst oder Musik zu tun haben. So könntest Du durch Erfahrungsaustausch und Gespräche mit einem kompetenten älteren Menschen, der schon viel länger dabei ist, viel mitnehmen und dich auf deinem Weg etwas leiten lassen. Das hat mir früher z.B. viel geholfen.


    Viel Erfolg.


    Christoph

  • Zitat

    darf ich interessehalber (weil du nen beruf hast den ich mir irgendwie evnetuell vielleicht auch vorstellen könnte) fragen wie viel stunden deine arbeitswoche hat und wo und was du arbeitest?


    Ich arbeite in einer Entwicklungsabteilung von Bosch Rexroth. Dort bin ich für alles zuständig, was mit Patenten zu tun hat. Dieses Arbeitsumfeld hat den Vorteil, dass es quasi Bestandteil der normalen Arbeit ist, sich ständig mit neuen (und hoffentlich innovativen) Dingen zu beschäftigen.


    Nach meiner 35h-Arbeitswoche habe ich auch noch ausreichend Zeit für meine Hobbies. Die 35h-Woche ist für Ingenieure allerdings nicht unbedingt typisch.


    tonsel

  • die profis sind nämlich selbstständig und haben deswegen selbst ständig was zu tun. ;) 35 stunden woche? ich hab theoretisch 40 bezahlte zeitstunden pro woche. reelle arbeitszeit und reelen stundenlohn will ich ieber gar nicht wissen.

  • die profis sind nämlich selbstständig und haben deswegen selbst ständig was zu tun. ;) 35 stunden woche? ich hab theoretisch 40 bezahlte zeitstunden pro woche. reelle arbeitszeit und reelen stundenlohn will ich ieber gar nicht wissen.

    40 festterminierte und honorarwürdige Zeitstunden ( a 45 min) pro Woche? Das hab ich doch bestimmt jetzt falsch verstanden?



    editrh meint, Teitstunde würde ja eigentlich sogar 60 Minuten bedeuten? Bin schon erschöpft von dem Gedanken.

  • bei der letzten zählung hatte ich insgesamt 53 schulstunden an 6 tagen pro woche. das war im januar, jetzt sieht es etwas entspannter aus, die nachfrage ist aber konstant so das die woche gerne einen tag länger sein dürfte. macht so grobe 40 stunden die woche. danach bügele ich und mach die buchhaltung. schliesslich will das finanzamt pünktlich wissen wieviel es abbuchen muss. wenn dich das erschöpft: mich auch, fast.

  • Liefe das über "BAT" wäre das wohl irgendwas in Richtung " ne doppelte Stelle" hähä...... KRASS jedenfalls. Also ich geh jetzt davon aus, dass es sich in der Hauptsache um Schlagzeug-Einzelunterricht dreht. Aber selbst Suchulmusik Sekundarstufe 2 dürfte bei knapp 30 Schulstunden eine volle Stelle bedeuten. Normalerweise brauchts ja auch noch Vor- und Nachbearbeitung......und dann noch Dein tagtäglicher Einsatz hier...Beeindruckend, Respekt!
    Mir wäre das DEFINITIV deutlich zuviel.

  • Hähä, dann hab ich noch ein paar Jahre Zeit bis zum nächsten Urlaub. Das schöne am freien Künstlerleben soll ja eigentlich sein, dass der Alltag nicht so stressig ist, so dass man immer in den Urlaub flüchten muss. Aber das ist jetzt Philosophie.

  • Hallo,
    ich bin 40, Lehrer und spiele im Moment in 2 Bands (police-Cover und jazz-Soul). In all diesen Band sind fast ausnahmslos Profimusiker. Die Entwicklung dieser will ich Dir hier mal beschreiben. Im wesentlichen geben sie Unterricht und sind dabei mal mehr oder weniger zufrieden. Kohlemäßig kommen sie eigentlich ganz gut rum. Allerdings sind sie im Laufe der Jahre auch recht pragmatisch geworden. Viele Träume bezüglich der kommerziellen Vermarktung eigener Songs oder eigener Projekte sind auf der Strecke geblieben und es muss dann auch mal in den sauren Apfel gebissen und "Anton aus Tirol" gegen gutes Geld gespielt werden. All diese Musiker sind aber soweit ich das mitbekommen habe frei und mehr oder weniger ungebunden (keine Kinder, geschieden oder solo). Dann geht das auch, wenn mal ein Monat nicht so gut läuft. Man sollte sich darauf einstellen zu unterrichten oder voll durchzustarten. Dazu ist aber nicht jeder, egal was für ein Talent er hat, in der Lage. Andererseits kenne ich einige studierte Musiklehrer (an allgemeinbildenden Schulen) die excellente Musiker sind und nebenbei richtig gute Projekte am laufen haben. Projekte, die sie mit viel Herzblut und ohne auf die Mark schauen zu müssen durchziehen. Mir sagte mal ein gut gebuchter Profi: " Du hast Glück, du musst nicht jede Scheiße spielen... " Und ich dachte immer er hätte Glück, weil er halt jedes Wochende spielt. Es liegt alles im Auge des Betrachters. Ich bin selbst Ingenieur habe aber direkt nach diesem Studium noch ein Lehramtsstudium drangehängt, weil ich so definitiv Zeit habe für meine Leidenschaft: Musik machen. Weiterhin wollte ich unbedingt eine Familie haben. Das erschien mir für mich ein guter Weg und hat sich bis jetzt auch gottseidank bewahrheitet. Natürlich, wenn ich dann einige neue vielversprechende Talente (z.B. den Herrn Lehmann, oh Gott spielt der geil...) höre denke ich mir, vieleicht hätte ich es doch durchziehen sollen. Aber welcher Fußballamateur denk nicht daran auch mal bei Bayern München statt im 1 FC Ringelhausen zu spielen. Andererseits kenne auch einen excellenten Drummer, der ein Meister der Selbstvermarktung ist und auch gut rumkommt und Familie hat. Allerdings hängt er morgens 3 Stunden im Netz und am Telefon und hat gleichzeitig mehrere Projekte laufen. So kann es auch ohne Unterricht gehen. Aber dieser Drummer ist geschäftlich extrem gut am Start und das kann auch nicht jeder. Zum Unterrichten: Ich selbt habe mir jetzt wieder einige Stunden Unterricht gegönnt und... es war eine Offenbahrung. Dieser Lehrer öffnete ganz andere Horizonte und brachte mich unglaublich weiter. So soll es sein. D. h. Unterrichten sollte nicht nur Mittel zum Zweck sein (z. B. :Ich habe 60 Schüler, die bringen mir 1500,- im Monat) sondern kann wirklich eine sehr inspirierende und erfüllende Aufgabe sein. Eine gute Ausbildung (sprich Studium) halte ich heute für unumgänglich. Wie gut heute teilweise junge Musiker sind, ist beängstigend. Natürlich haben es einige geschafft im internationalen Trommelzirkus mitzumischen. Aber das sind einige wenige mit herausragenden Talenten. Alles in allem solltest Du im Musikgeschäft, auch auf semiproffesioneller Ebene, in der Lage sein Netzwerke zu knüpfen. Weiterhin halte ich es für wichtiger einen gescheiten Internbetauftritt zu haben bzw. seine Korospondenz gescheit abzuwickeln als den Paradiddle noch 3 beats höher zu schrauben. Durch eine halbe Stunde länger im Proberaum wird man nicht unbedingt
    professioneller. Durch eine halbe Stunde Büroarbeit und Klinkenputzen bei Veranstaltern aber auf jeden Fall und wenn man danach nur weiß, wo man nicht mehr anrufen sollte...


    Greets und viel Glück :thumbup:

  • Nun von mir auch mal etwas Ausführlicheres zum Thema.


    Vorneweg: Ich bin sehr zufrieden mit meiner Wahl, Musiker zu werden. Wie bei vielen anderen auch hatte ich zuvor auch Bedenken und Zweifel, ob ich überhaupt das Zeug dazu habe und ob ich mich mit der Entscheidung nicht letztlich meinem Hobby versklave. Doch die Rechnung ging auf und ich könnte mir nichts anderes mehr als Beruf vorstellen.
    Ich bin sicher kein großer Fisch im Musikbusiness und mir würde es davor grauen, eine Soloperformance auf der Musikmesse spielen zu müssen. Meine Fähigkeiten am Instrument würde ich als "solide" einstufen - nicht mehr und nicht weniger.


    Meine Brötchen verdiene ich mit einer Basis aus Unterricht (derzeit 3 Nachmittage mit insgesamt etwa 25 Schülern), Auftritten und verschiedenen Projekten, in denen ich nicht unbedingt als aktiver Musiker beteiligt bin (aber dafür z.B. als musikalischer Leiter). Zu solchen Projekten bedarf es eigene Kreativität und Kontaktfreudigkeit. Man muss sich als Musiker einen Teil des Betätigungsfeldes selbst schaffen und gucken, wo z.B. Gelder für welche Projekte verfügbar sind. Im Sektor Jugendförderung geht da z.B. einiges. Natürlich muss auch der Bedarf daran bestehen.


    So habe ich eine für mich gesunde Mischung aus festem Einkommen (Schüler) und beruflicher/ künstlerischer Freiheit gefunden, wobei ich versuche Dienstleistung und Kunst nicht getrennt zu betrachten. (Ok, manchmal ist es schwer einem "Song wie Marmor, Stein und Eisen bricht" die Kunst einzuhauchen, doch das kommt bei mir auch nur extrem selten vor.) Im Unterricht könnte ich keine Musik vermitteln, wenn ich nicht selber auch Musik aktiv spielen würde, denn der Unterricht kann sich nicht selbst befruchten. Der Unterricht kann mich aber dazu beflügeln, neue Projekte ins Leben zu rufen, wenn ich z.B. nachforsche, wie sich meine Schüler eine musikalische Umgebung in ihrer Stadt vorstellen. Als Lehrer sitzt man da direkt an der Quelle.


    Zum Finanziellen sei gesagt, dass ich gut über die Runden komme. Eine Familie zu ernähren fiele mir zwar gerade schwer, doch auch das ist zu bewerkstelligen, wenn man bedenkt, dass man ja nicht alles Geld alleine erwirtschaften muss. Außerdem kenne ich einige Musikerehepaare, bei denen es tadellos funktioniert. Ansonsten achte ich darauf, die monatlichen Fixkosten gering zu halten (ich brauche kein teures Auto, wohne etwas außerhalb der Stadt...) und kann mir so den Luxus leisten, auch mal in den Urlaub zu fahren, gutes Essen zu kochen, lecker Wein zu trinken etc. (In Maßen natürlich.)
    Ab und zu rutscht mein Kontostand natürlich auch mal gefährlich in Richtung Dispogrenze, und ein dickes Sparguthaben kann ich auch nicht vorweisen. Was ich mache, wenn ich keinen Stock mehr halten kann, weiß ich auch noch nicht - beruhige mich aber damit, dass heute sowieso kaum jemand weiß, wie er als Rentner dastehen wird...


    Natürlich tauchen immer wieder mal Zweifel auf. Vor allem, ob ich hier, in der Provinz, dauerhaft als Musiker glücklich bleiben kann. Da schiele ich dann schon gelegentlich etwas neidisch auf die Vita einiger meiner Studienkollegen und frage mich, was ich nun wohl machen würde, wenn ich z.B. in Amsterdam geblieben wäre. Doch letztlich habe ich hier ein für mich gutes Umfeld gefunden: Ein gesundes soziales Netz, immer wieder neue und interessante Betätigungsfelder, eine Stadt, die viel Lebenskomfort bietet und ein Einkommen, mit dem ich nicht darauf angewiesen bin, auf jeder Hochzeit spielen zu müssen.


    Ich habe Spaß!


    Beste Grüße
    Sven

    "If you don't feel it, don't play it." James Jamerson

  • Was ich mache, wenn ich keinen Stock mehr halten kann, weiß ich auch noch nicht - beruhige mich aber damit, dass heute sowieso kaum jemand weiß, wie er als Rentner dastehen wird...


    Genau diese Einstellung halte ich (ganz persönlich!) für, nun ja.....naiv.


    Und wenn man sich dann vor Augen hält, dass das Renterdasein gut 20 Jahre dauern kann, veranlaßt mich dieser Gedanke schon dazu, entsprechend vorzusorgen.


    Denn man steht m.E. nur so gut als Rentner da, wie man JETZT darauf Einfluß nimmt.


    Ok, legt los!



    Gruß
    Daniel

  • Denn man steht m.E. nur so gut als Rentner da, wie man JETZT darauf Einfluß nimmt.


    Das ist jetzt OT, aber es passt gerade: ich kenne einige Menschen, deren vor einigen Jahren begonnene private Vorsorge für die Rente im Zuge der aktuellen Finanzkrise auf weniger als die Hälfte des ursprünglichen Wertes zusammengeschmolzen ist. Mit anderen Worten: sie haben jetzt weniger, als wenn sie das Geld einfach unter die Matraze geschoben hätten. Soviel zur planbarkeit der Altervorsorge.


    Wenn dann noch eine massive Staatsverschuldung dazukommt ist das Mittel der Wahl die Notenpresse - mit anderen Worten der Staat entschuldet sich selbst durch Inflation. Das entwertet dann vorhandene Barvermögen, so geschehen in den 20ern des letzten Jahrhunderts in Deutschland und vor Kurzem in Argentinien. Dann sind Menschen wie ich im Vorteil, die nie was hatten ausser Schulden, denn die privaten Schulden schmelzen in der Inflation auch dahin.


    Nils

  • Ja, das ist sicher eine naive Haltung. Ganz ohne Altersversorgung werde ich aber übrigens auch nicht dastehen, da ich schon (wenn bisher auch nur geringe) Beiträge in die Rentenkasse einzahle (wobei es natürlich ein Witz sein wird, was am Ende dabei herauskommt) und eine Lebensversicherung habe.
    Doch ist es auch so, dass ich im Moment einfach nicht genug finanziellen Spielraum hätte, um noch mehr in die Zukunft zu investieren.

    "If you don't feel it, don't play it." James Jamerson

  • Das ist jetzt OT, aber es passt gerade: ich kenne einige Menschen, deren vor einigen Jahren begonnene private Vorsorge für die Rente im Zuge der aktuellen Finanzkrise auf weniger als die Hälfte des ursprünglichen Wertes zusammengeschmolzen ist. Mit anderen Worten: sie haben jetzt weniger, als wenn sie das Geld einfach unter die Matraze geschoben hätten. Soviel zur planbarkeit der Altervorsorge.


    Nils


    Schon klar. Aber wenn man erst gar nix zurücklegt (ob unter die Matraze oder in fragwürdige Anlageformen), bleibt auch nix übrig. Diese Art der Altersvorsorge ist sogar ganz sicher planbar. ;)


    Gruß
    Daniel

  • Hi,


    ich zitiere mal fwdrums aus einem anderen Thread : Da fehlt noch Senf! ;)


    Ich denke mal, dass wir hier die Frage der richtigen Altersvorsorge nicht lösen können, uns aber alle einig sind, dass man in der Richtung unbedingt tätig werden sollte- gerade als Selbstständiger (zu denen Musiker zählen)- damit die Altersarmut nicht ganz so extrem ausfällt.


    Es gilt also, bei der Berufswahl mehrere Dinge mit einfließen zu lassen.


    Fakt ist: Als Berufsmusiker musst Du dafür sorgen, dass der Rubel rollt. Dazu gehört viel Klinkenputzen und Networking, man muss seinen Namen immer wieder ins Spiel bringen und dafür ist nicht jeder geboren. Es reicht definitiv nicht aus, ein toller Schlagzeuger zu sein, selbst wenn Du menschlich auch total am Ort bist- Posten werden meist durch Vitamin B besetzt. Also musst Du sehen, dass Du in der Beziehung genügend Reserven hast.


    Aprospos Reserven: Die musst Du natürlich in den Monaten, wenn es gut läuft, zurücklegen für die Zeiten, wenn es mau ist. Das heisst, die Finanzplanung muss stimmen. Geld macht zwar nicht glücklich, aber es beruhigt doch ungemein. Und ich kann Dir aus Erfahrung sagen, dass Schlaf ein Luxus ist, den Du meist nicht hast, wenn sich die Miesen auf Deinem Giro anhäufen. Je höher Deine Verpflichtungen dann sind, sprich hast Du eine Frau, Kinder, ein Haus, ein Auto etc., umso weniger Schlaf wirst Du finden.


    Aprospos Frau: Aus meinem Bekanntenkreis sind die wenigsten Berufsmusiker noch verheiratet, zumeist, weil die Damen keine Lust mehr hatten von der Hand in den Mund zu leben, mit einem Mann, der ständig weg ist und alle wichtigen Ereignisse im Familienleben verpasst. Da gibt es natürlich Ausnahmen- falls Du so eine mal finden solltest, halte sie fest!


    Wenn man sich dann das Musikerdasein der meisten Leute so betrachtet, so stellt man fest, dass sie oftmals eher Lehrer als Musiker sind. Das heisst, um ein einigermassen geregeltes Einkommen zu haben, mit dem sich monatlich rechnen lässt, "müssen" sie Unterricht geben. Und dieses "müssen" ist öfter auch schon mal wirklich ein Zwang- eigentlich würden sie gerne vom Mucken leben, aber da die Kohle nicht reicht, werden Schüler aquiriert und dann wird mehr oder weniger lustlos der Lehrer rausgekehrt. Die Qualität des Unterrichts ist dann auch dementsprechend. Um jetzt bösen Gegenkommentaren vorzubeugen: DIES IST NATÜRLICH NICHT BEI ALLEN SO! Manche finden auf diesem Weg auch zu ihrer eigentlichen Berufung.


    Dies sind Punkte, die mir auf die Schnelle einfallen ud die es bei Deiner Entscheidung zu bedenken gilt. Ich bin mir bewusst, dass ich jetzt hauptsächlich die negativen Seiten skizziert habe und man mir das als "Mach doch nicht alles schlecht" auslegen kann. Aber da man dazu neigt, eher das Positive zu sehen, muss leider auch mal ein Spielverderber da sein.


    Fazit: Wenn Du mit den genannten Problemen nicht klarkommst und auf Sicherheit bedacht bist, lass die Finger davon und schau Dir den Ingenieur genauer an.


    LG

  • Ich mach den Job jetzt über 20 Jahre und geb mal meinen Senf dazu:


    Erst mal zu deinem "Masterplan" Cedric:


    Den kannst du getrost vergessen! Das ist nicht negativ oder abkanzelnd gemeint, sondern es ist einfach so, das die Realität komplett anders läuft.
    Man kann eigentlich alles auf den einen Punkt bringen, indem man nüchtern feststellst, du kannst nur dann professioneller Musiker werden, wenn du dein Geld damit verdienen kannst.
    Der Weg dahin, ob Studium oder nicht etc., ist so hochgradig individuell und von absolut nicht planbaren und zum Teil auch nicht beeinflussbaren Faktoren abhängig, das es unterm Strich eigentlich schon fast Glückssache ist, ob es funktioniert.
    Da gibt es auch keinen Plan oder keine Regel, an die man sich halten oder an der man sich orientieren könnte, weil eigentlich jede Entwicklung zum Profi höchst individuell ist.


    Für mich gilt z.b. verrückter Weise, das ich bis zu meinem 20. Lebensjahr gar nicht nie und auch unter keinsten Umständen vorhatte, noch drüber nachgedacht hätte, Trommeln zu meinem Beruf zu machen.
    Es ist einfach (mit mir) passiert. Es öffnete sich eine Tür und ich hab sie gesehen und bin mutig durchgegangen. Was ich da getan hab bzw. welche Konsequenzen das für mich hatte, hab ich dann eigentlich erst in den folgenden 10-15 Jahren begriffen.


    Ich antworte eigentlich immer, wenn mich jemand fragt, ob er diesen Berufsweg einschlagen soll, grundsätzlich mit nein!
    Und warum tue ich das?
    Tue ich das, weil ich meinen Job nicht mag und es heute für einen Fehler halte, durch diese Tür gegangen zu sein?
    Nein! Ganz und gar nicht! Ich bin grundsätzlich im Reinen mit dieser Entscheidung und mag meinen Lebenstil ! (denn Musiker sein ist kein Beruf sondern ein Lebensentwurf meiner Meinung nach)
    Ich sag das deshalb mit grosser Überzeugung, weil nur die Leute diesen Weg gehen sollten, die wirklich nicht anders können bzw. einfach den "Arsch in der Hose" haben, das einfach zu machen.
    Die werden es tun, egal was andere Leute (die Eltern, Freunde, das Umfeld) sagen!
    Mein damaliger Schlagzeuglehrer hat mir auch immer abgeraten, seinen Beruf zu ergreifen.
    Damals fand ich das total komisch, aber heute versteh ich ihn ;)


    Am wichtigsten finde ich, das man sich ehrlich entscheidende Fragen stellt, die meines Erachtens darüber entscheiden, ob man das Leben eines Musikers leben kann.
    Dazu gehören für mich folgende Fragen:



    Bin ich von meiner persönlichen Struktur ein Mensch, der ohne Anweisung eigeninitiativ und eigenverantwortlich durchs Leben gehen kann?


    Bin ich ein Mensch, der von seiner Persönlichkeitsstruktur so stabil ist, das ich mit Rückschlägen, Seitenhieben umgehen kann? (Denn das Musikerleben ist kein Streichelzoo)


    Bin ich ein Mensch, der sich unter schwierigen Situationen durchsetzen kann?


    Habe ich kaufmännisches Geschick, kann ich mich selbst vermarkten?


    Kann ich u.U. ein Leben mit hohem finanziellen Risiko und der möglichen Perspektive von Altersarmut leben, falls es nicht so dolle läuft?


    Kann ich wirklich über Jahrzehnte ein unstetes Leben, ständig auf Achse, mit möglichen sozialen Folgen im Freundeskreis und innerhalb von Liebesbeziehungen leben? (Gilt für als überwiegend Lehrende nur zum Teil)


    Wie gross ist mein Wunsch nach Familie, Häuslichkeit, dauerhafter Beziehung und was macht das mit mir, wenn das möglicherweise im Laufe des Lebens in Konflikt zu dem "Traumberuf" Musiker steht?


    Bereits genannt: "Muss" ich ein Leben als "Künstler" leben, um die Befriedigung zu finden oder werde ich auch als "Dienstleister" genauso gut leben können?
    Damit auch direkt verknüpft die Frage nach der Option, als Lehrender seine Brötchen zu verdienen und ob das ok für einen ist oder nur ein Notnagel. Notnagel ist nämlich als Lebensperspektive ganz schlecht!


    Bin ich ein Mensch, der immer dazulernen will und auch bereit ist, jederzeit den gewohnten Pfad zu verlassen, um neue Wege auszuprobieren oder brauche ich grosse Kontinuität, um mich ausgeglichen zu fühlen?


    Kann ich gut damit umgehen, ständig beobachtet, bewertet, kritisiert zu werden?



    Das wäre mal so ein kleiner Katalog an Fragen, die ich recht aufschlussreich finde, wenn man sie sich ehrlich beantwortet.
    Und warum keine Frage wie, bin ich als Trommler/Musiker hinsichtlich meiner spielerischen/kreativen Fähigkeiten gut genug?
    Weil es eigentlich selbstverständlich ist, das man so gut wie irgendwie möglich und so kreativ wie irgendwie möglich sein sollte.
    Ein Trommler, der sein Instrument mit allen Facetten nicht gut bis sehr gut beherrscht, keine Notel lesen kann und sonstiges Handwerkszeug nicht am Start hat, wird, wenn er nicht gerade das "unverschämte" Glück hat, in einer Band zu landen, die ein Chartstürmer ist und über viele Jahre einen grossen Erfolg verbucht, eher nicht so gut fahren.
    Musiker mit Alkoholproblemen und am Existenzminimum lebend gibt es wahrlich genug und bei denen würde, bei einer Entsprechenden Auswertung meines oben angeführten Fragenkatalogs, so manche Frage negativ beantwortet werden, was letztlich zu besagtem Ergebnis führen kann.


    Abgesehen davon gibt es auch einfach Glück und Pech, die völlig unkalkulierbar, selbst bei besten Vorraussetzungen, den Ausschlag in die eine oder andere Richtung bringen können.
    Deshalb ist der Schritt in eine selbständige Tätigkeit und im speziellen in die Richtung freiberuflicher Musiker ein so grosses Risiko, dem man sich sehr genau überlegen sollte,
    Ist halt nicht wie BWL oder Lehramt studieren und dann einen Job suchen.. :S

    2 Mal editiert, zuletzt von drumdidi ()

  • was mich noch interessiert, ist was ganz anderes:
    Wenn man sich heute auf ein Schlagzeugstudium bewirbt, muss man ja ein gewissen Maß an Harmonielehre, Gehörbildung usw draufhaben und auch Klavier oder Gitarre spielen können kann nicht schaden. Ich zum Beispiel kann zwar mit Noten grob was anfangen und mit den einfachsten Grundbegriffen der Harmonielehre kann ich auch was anfangen, aber ich kann außer Schlagzeug kein Instrument (und Triangel zähl ich mal nicht dazu.... ;) ).


    Meine Frage an euch Berufsmusiker wäre jetzt, ob ihr denn auch wirklich "Musiker" seid, also auch andere Instumente beherrscht, oder nur Schlagzeugprofis seid. Und falls ihr andere Instrumente beherrscht: Wie wichtig findet ihr, dass ihr sie beherrscht? Beeinflusst das euer Tun und euren Erfolg als Schlagzeuger?

  • Für selbstständige Musiker mit ungeregeltem Einkommen gibt es die Künstlersozialkasse zur (zumindest partiellen) Rentenvorsorge!



    Ich stand vor 20 Jahren vor der Entscheidung und habe mich dagegen entschieden. Heute bin ich darüber sehr froh, denn mein geregeltes Einkommen erlaubt mir meine musikalischen Bedürfnisse mit Spass und ohne existenziellen Stress auszuleben.

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