Interessanter Artikel: Alles Populäre ist falsch

  • Mal über den Trommelrand schauen: Interessanter Artikel in der TAZ zum Thema Web und Musik, kann man sicher kontrovers diskutieren, ich halte die Analyse für ziemlich richtig: "

    "Alles Populäre ist falsch

    Musiksoftware und Web 2.0 versprachen einen Zugang zum Musikmarkt für alle. Das Versprechen wurde gehalten – mit unerwarteten Auswirkungen für Markt und Musiker."

    "Most drummers are crazy, aren't they ? They don't all start off crazy, but they end up that way." ;( Charlie Watts

  • Das ist ein sehr guter Artikel! Selten habe ich das mal so schön zusammen gelesen. Gut finde ich auch, dass der leidige "das Internet und der Musikraub sind schuld"-Tenor ausgelassen wird. Viele Musiker jammern nämlich tatsächlich zu Unrecht über sich verschlechternde Bedingungen. Tatsache ist, dass viel Musik auch früher nicht populär geworden wäre, weil einfach zu einfallslos.


    Ich kenne viele Musiker, die sich geradezu um ihre Gelder und ihren Ruhm betrogen fühlen, weil sie halbwegs gut klingende Musik mit geradem Gesang und semiprofessioneller Produktion am Start haben. Dass ihre Musik auch vor 20 oder 30 Jahren nicht die Welt verändert hätte, wollen viele nicht wahrnehmen. Ich habe mich neulich mit ein paar wirklich tollen Studiomusikern über Popmusik unterhalten. Das Ergebnis war, dass es nur wenige Frontleute gibt, die das Zeug dazu haben, bekannt zu werden. Es ist kein Wunder, dass der größte Teil von myspace vollgestopft ist mit Bands, denen es irgendwo fehlt. Langweilige Songs, krummer Gesang, schlechter Sound, keine Ausstrahlung, schlechtes Erscheinungsbild. Oder alles zusammen.


    In Zeiten, wo das jeweils Beste immer nur einen Click entfernt ist, müssen die meisten scheitern.


    Ich finde außerdem, dass diese Diskussion auch zu dem Fred über "richtiges" Musikhören passt, denn eine Auswirkung der modernen Zeiten ist die schiere Übermenge an Musik in digitaler Form, die dadurch jede Attraktivität verliert. Die Zeit, die man bräuchte, um all die Musik zu hören, geschweige denn zu würdigen, steht in krassem Gegensatz zur heutigen Lebensweise.


    Überhaupt, die Zeit: man kann heute als Einzelperson theoretisch eine grandiose Produktion erstellen, weil die technischen Mittel (im Gegensatz zu früher) erschwinglich und verfügbar sind. Das Problem (vor dem auch ich mich immer wieder sehe) ist die Zeit: wann soll man lernen, tolle Songs zu machen, sich technisch am Instrument zu bilden, Recording zu lernen, Abmischen, Mastern, Webdesign, Networking usw.?


    Viele glauben, dass die Produktionsmittel der letzte Schritt vor einem toll klingenden Album sind. Leider sind und waren sie immer nur der erste, auch damals schon. Ein Drumset ist ein Haufen Material, genauso wie ein Rechner, Mikrofone, MPC, Bandmaschine usw. Wer die Sachen nicht wirklich gut bedienen kann und zudem eine Vision hat, wird nicht wahrgenommen. Dass wirklich gutes Aufnehmen eine Sache von jahrzehnten Erfahrung ist, ebenso wie gutes Stimmen, wie eine gut funktionierende Band, wollen viele in Zeiten der schnellen Informationsbeschaffung nicht einsehen.


    Ich finde diese ganze Entwicklung übrigens sehr spannend, weil sie auch viele gute Seiten hat. Man kann unfassbar gute Nischenmusik finden, die (wie im Artikel beschrieben) ohne Rücksicht auf Verluste genau die Leute glücklich machen kann, die sie hören wollen. Dort wirken sich die Segnungen des Netzes sehr schön aus. Dann all die Kontakte, die tollen Instrumentenbauer, auf die man früher nie gekommen wäre, der Blick auf so viele Musiker via youtube...


    lg
    max

  • Max, ich danke für Deine tolle und sehr zutreffende Stellungnahme!!

    ..."meine" Musik: Jazz (Big Band bis Free), brasil. Musik, Avantgarde, hin+wieder Klassik ->am Drumset, an den Percussions, am Schlagwerk

  • Luddie, der Beginn deines Posts ist zu kurz gegriffen.
    Wie der Artikel auf der Taz Seite richtig bemerkt, "versinkt der Mittelstand in der Bedeutungslosigkeit".
    Das es Leute gibt, die Musik machen, die sowieso niemand hören will und deshalb auch heute und früher nix reissen oder gerissen hätten, ist absolut richtig.


    Es gibt/gab aber genügend Bands/Musiker aus dem "Mittelstand" des Musikbusiness, die vor der digitalen Revolution noch Umsätze gemacht haben (wir reden nicht von den Gold/Platin Acts des Mainstream) und dann irgendwann von vielleicht 10-15000 verkauften Einheiten pro Release auf 500-1000 gefallen sind.
    Und das Beispiel mit den Sängern/Frontleuten hinkt auch insofern, das es den Blickwinkel auf reine Pop/Rockmusik reduziert.
    Es gibt tatsächlich 1. Musik ohne Gesang und 2. Musik, die keine Frontleute braucht und trotzdem ein erkleckliches Publikum erreichen kann.


    Ab deinem Absatz mit dem Hinweis auf den Musik-Hören Thread bin ich wieder bei dir, bei deinem Schlussfazit bin ich wieder gar nicht bei dir.
    Ich erkenne nicht so viele gute Sachen an den heutigen Zuständen, weder als Konsument von Musik noch als Musikschaffender, auch wegen so mancher Dinge, die du so treffend in der Mitte deines Posts beschreibst.
    Das ich mehr Musik als früher entdecken würde, hab ich bis heute nicht erlebt. Grösstenteils erliege ich dem selben Ermüdungseffekt wie im TAZ Artikel beschrieben nur mit dem Unterschied, das ich mich nicht sonderlich für die meisten Mainstream/Chart Geschichten interessiere.
    Meine wirklichen Quellen für "neue" Musik ist eigentlich fast nie das Internet sondern nach wie vor Freunde/Kollegen mit ihren Empfehlungen oder zufällige Entdeckungen.
    Und Youtube?
    Ehrlich gesagt schau ich mir nicht mehr alles an, was so an links durch die Welt getrieben wird. Man kann da zwar sauviel schauen, aber muss man das wirklich?
    Tatsächlich denke ich nämlich, das gerade durch diese Flut von Info am Ende des Tages das eigene Profil verschwindet.
    Wenn man zu viel schaut, was andere machen, geht man vielleicht auch nicht mehr einen "eigenen" Weg und wird eine Zitatmaschine.
    Eben besagte Problematik des Überangebotes, die sich auch in zunehmender Oberflächlichkeit äussert. Der "richtig Musik Hören"-Thread begegnet einem ja auch tagtäglich im Instrumentalunterricht, wo ich mit Entsetzen beobachte, wie wenig junge Leute heute noch Musik hören.
    Sie wird nur noch konsumiert, wahllos und meist ohne grosse echte Beachtung.
    So mancher beschäftigt sich mehr mit den Funktionen seines ipod und wie er den möglichst voll kriegt, als die Musik darauf zu hören. Alles Teil der Entwicklung, die ich eben eher nicht so positiv sehe...

  • Jaja, war das früher nicht schön?! Als man sich noch in ein paar Wochen durch den ganzen Plattenladen gehört hat?! Und da nur tolle Sachen dabei waren?! Ach ja...


    Mal ehrlich, warum beschweren sich in letzter Zeit eigentlich alle über die Vielfalt und das große Angebot im Netz??? Ist ja nicht nur mit der Musik so.
    Ich glaub die Leute haben eher ein Problem mit dem filtern von Informationen.


    Einige Argumente des Artikels wie z.B. "Wer vollzeit arbeitet kann keine gute Musik mehr machen" stelle ich mal unkommentiert in die Bullshit-Ecke.


    Das Argument das einige Leute Musik gar nicht "richtig" höhren ist sicher wahr. Aber war das früher anders? War jeder, nur weil er eine Platte GEKAUFT hat ein aufmerksamerer Zuhöhrer?
    Das ist ganz normal, irgendwer muss ja Bohlen & Co kaufen.
    Ein weiteres Beispiel wären die auiophilen Idio... Leute, die Musik nur brauchen um ihre schweineteure Anlage höhren zu können (und zu rechtfertigen).
    Gibt's alles, nicht erst seit heute, nicht erst seit dem Internet.

  • Ich sehe diese Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln. Der eine ist der subjektive Musikhörerblickwinkel und der des permanent Musiksuchenden und darüber philosophierenden. Als solcher habe ich den ersten und letzten Teil meines Post beschrieben und der ist somit auch richtig, denn er spiegelt eigene Erfahrung wider.


    Ein weiterer Blickwinkel ist der des Kulturwissenschaftlers und Soziologen, der ich ja berufsmässig eigentlich bin. Das sind schon eher objektive Beobachtungen, denn ich verfolge die Entwicklung schon sehr lange und habe mich auch im Studium schon fleissig damit beschäftigt. Somit ist mein Post tatsächlich extrem zu kurz gegriffen, denn man könnte Bücher drüber schreiben.


    Apropos Zitat: alle Musik besteht aus Zitaten. Ich finde Zitieren toll, sofern es gut gemacht ist. Ich bediene mich zB schon lange fleissig an allem Elektronischem, ich liebe gute DJs und Soundtüftler und nutze youtube, mir da viel anzusehen. Leute, die innovativ sind und gleichzeitig großartig unterhalten.


    Was ich persönlich immer nicht so optimal finde, ist der Klageton über die verschlechterten Verhältnisse. Soll man den Schülern mit ihren ipods die Zeit vorwerfen, in der wir leben? Tatsache ist, dass viele Menschen lernen wollen, wie man trommelt. Das finde ich toll und es ernährt mich u.a. Ich persönliche glaube zudem fest daran, dass es vor 20 Jahren nicht mehr oder weniger Talentierte/Interessierte gab als heute. Ich habe mir früher meine CDs zusammengespart und bin dafür zig Kilometer geradelt. Das finde ich persönlich "besser" und "wertvoller" und "tiefgründiger" als den heutigen Musikkonsum. Allerdings haben das auch früher nicht alle getan, im Gegenteil. Dazu passt auch, dass es heute junge Schüler gibt, die aufs Engagierteste Musik hören, Fans sind, Sachen raushören usw. Sie machen das mit ipod-Gutscheinen, die sie sich zu jeder Gelegenheit von Eltern und Freunden schenken lassen und dafür auf Anderes verzichten. Ist das jetzt schlechter als man selbst vor ein paar Jahren? (Ich erinnere mich an Aussagen meiner und anderer Eltern, die darüber erbost waren, wie die großen Musikkonzerne den Kiddies das Geld für CDs aus der Tasche ziehen. Überhaupt CDs: der Verfall der Hörkultur, der Wertschätzung für Musik usw. Das war der Tenor unter "echten" Musikfans damals.)


    Dass es gute Musiker gibt, die nicht mehr von ihrer Kunst leben können, ist bedauerlich. Gerade wenn es einen persönlich betrifft und man keine Alternativen hat. Aber darüber zu klagen, ist vermutlich keine gute Idee, besser ist es doch, die Möglichkeiten zu sehen, die sich ergeben durch die Veränderung. Wer das nicht tut, wird Probleme bekommen und zwar in vielen Berufen. Wir hatten das Thema ja schonmal, aber Musiker und Künstler sind schon lange nicht mehr die einzigen, die von prekären Lebenssituationen bedroht sind. Alle Berufe, die heutzutage vermeintlich jeder mit ein paar Programmen machen kann, haben zu kämpfen: Werber, Filmer, Tonstudiobesitzer, Produzenten, Komponisten, Fotografen.


    Aber ich selbst lebe einfach auch nicht gern in dem Gefühl, dass alles immer schlechter wird, ich halte das für menschlich aber irgendwie auch für sehr altmodisch und der eigenen Entwicklung nicht für zuträglich. Außerdem finde ich es als Musikfan toll, wie man das Netz nutzen kann, um Dinge zu finden, Musiker zu sehen und zu hören, in Echtzeit über Musik zu philosohieren usw. Ich selbst höre übrigens gar nicht so viel Musik. Aber wenn, dann bewusst und daran kann auch nichts Äußerliches was ändern, das bestimme ich nämlich selbst. Das gilt übrigens für alle Freunde und Schüler, die ich als Musikfans identifizieren würde.


    lg
    max

  • Ich gehe mit Max da weitgehend d'accord. Die Verhältnisse sind nicht schlechter, sondern schlicht andere geworden. Mit allen dazugehörigen Vor- und Nachteilen. Wie im Artikel erwähnt, gehört für mich dazu die Zerschlagung der Independent-Strukturen wie man sie aus den 80ern und frühen 90er kannte. Dafür gibt es mittlerweile aber andere Strukturen, die effizienter mit den neuen Medien umgehen können. Das will man als verbohrter alter Musiker oder im Musikkgeschäft Tätiger dann aber nicht sehen und postuliert eine Verschlechterung.
    Auf der Negativ-Seite sehe ich aber eindeutig, ähnlich wie der TAZ-Artikel, den sich weiter verschärfenden Trend zur Selbstausbeutung. Jeder kann alles und soll es gefälligst auch tun, selber Logos entwerfen, Flyer machen, umsonst spielen, alle sozialen Netzwerke füttern etc. Wer da nicht am Ball bleibt "hat sich halt nicht richtig reingehängt" und hat damit nach der Logik den Erfolg nicht verdient. Aber eigentlich alles Sekundärtugenden, die mit dem Musizieren selber nichts zu tun haben.
    Eklige Ausgeburten wie pay-to-play oder diese widerlichen Votinggeschichten, bei denen der Veranstalter die Verantwortung für den vollen Laden auf die Musiker abwälzt sind da leider die Folge des Ganzen. Das hängt nicht nur mit dem technischen Fortschritt, sondern auch mit dem neoliberalen Bild des freien Marketes zusammen, und Musik ist eine Ware auf demselben. Es findet sich immer einer, der es für den Veranstalter umsonst macht, oder gar den Kartenvorverkauf mit Risiko und Vorkasse übernimmt.

    "Diese Tapete ist scheußlich, einer von uns beiden muß jetzt gehen."

  • "Die größten Fans der Piratenpartei bleiben die Aktionäre des Nasdaq 100" :)


    Freunde, ich danke euch für einen sich von der hier verbreitenden Belanglosigkeit abhebenden Thread.

    -
    Gesendet von meinen Babyphone mit Papatalk

  • Hier wird mal wieder grundsätzlich etwas missvestanden.
    Ein Benennen von Mißständen oder imho Fehlentwicklungen bedeutet nicht automatisch jammern oder sich beleidigt in die Ecke zurückziehen oder mit einem düsteren Lebensgefühl durch die Welt gehen.
    Manche Menschen sind auch nurdeshalb (vermeintlich) positiv und happy unterwegs, weil sie alles ausblenden oder relativieren, was eigentlich Scheisse ist...
    Im Chor der allgegenwärtigen digitalen Euphorie nehme ich mir heraus, die ganze Sache wesentlich weniger euphorisch zu sehen.
    Ich hab sicherlich schon sehr früh kräftig in der Welt der digitalen Möglichkeiten mitgemischt, eigentlich so ziemlich jeden Schritt in diesem Prozess mitgemacht und eben genau deshalb sehe ich das eben anders.
    Es ist wohl eher eine Frage der Gewichtung, wenn der eine die vielen negativen Effekte schicksalsergeben hinnimmt und sich dann alles zusammenklaubt, was durchaus an der digitalen Revolution gut ist und dies in den Vordergrund stellt oder wenn man so wie ich denkt, das gewisse Dinge zwar gut sind, das aber einige der negativen Effekte eben schwerer wiegen.
    Zum Thema Musikrezeption behaupte ich jedoch, das es eben nicht heute genauso ist wie früher. Da wurde nicht nur der Plattenspieler gegen den ipod getauscht.
    Das alles immer schlechter wird, was als Tenor aus meinem Post gezogen wurde, ist eine totale Verkürzung und in eine Ecke Drängung meiner Aussagen.
    Ich weiß wohl selbst am besten, das ich, wenn ich wirklich so dächte, schon vor vielen Jahren die Sticks an den Nagel gehängt hätte.
    Stattdessen bin ich eher ziemlich optimistisch für meine Lebensperspektive und rede gar nicht so sehr aus eigener Frustration.
    Alles ist heute nur anders, ist mir aber als Fazit einer Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Entwicklung zu billig. So kann man alles immer zur Bedeutungslosigkeit nivellieren.
    Seltsamerweise erlebe ich das relativ oft, das ich bei Widerspruch zur allgemeinen Lobhudelei zum Web 2.0 sofort so in eine Ecke gestellt wäre, man sei fortschrittsfeindlich, rückwärts gewandt und sehe alles nur negativ.
    Ich muss aber immer irgendwie im Zusammenhang mit der Welt des Internet an den guten alten Nina Hagen Song "TV Glotzer" denken, der ganz gut beschreibt, wie ich die ganze schöne, bunte Internetwelt erlebe.
    Das schöne klicki bunti ist halt so verführerisch und reizvoll wie die Süßigkeiten für ein Kind an der Supermarktkasse.
    Man kann halt euphorisch hurra schreien, wenn man noch mal den tollen Schokoriegel reingedrückt bekommt, an der Kasse sollte aber dann vielleicht doch auch mal rückblickend gefragt werden, ob das wirklich so toll ist, das man diese Verführung erliegt.
    Und wer kennt das nicht, das er in einem Laden mit zu grossem Angebot am Ende gar nix mehr haben will. So ist zuweilen das Internet...

  • Toller Thread, schöner Artikel....



    Und vielen Dank, lieber Oli, für den Link (Deine Arbeit schätze ich im übrigen auch sehr!)....



    Ein Künstler ist nach meiner Auffassung kein Erfüllungsgehilfe der vorherrschenden Zeitströmungen...


    In diesem Sinne können wir doch die Freiheit, die wir haben, auch künstlerisch ausleben - heute wie gestern...


    Ich muss nur klagen, wenn ich an Bestehendem festhalten will und mit der Vergänglichkeit des Gegenwärtigen keinen Frieden finde....
    Festhalten ist Stillstand....


    Alles fliesst, ist in ständiger Bewegung und in permanentem Umbruch.... und das ist gut so!
    Vielleicht für manchen beängstigend, weil das Vertraute Sicherheit suggeriert....


    Wir leben doch eigentlich in einer wunderbar aufregenden Zeit - vielleicht anders aufregend, als in den letzten Dekaden, aber aufregend in jedem Fall...


    Grenzen verschieben, Möglichkeiten erforschen, neue Farben finden... dafür ist die Musik ein wunderbarer Spielplatz....


    ... und warum überhaupt die Bereiche so strikt trennen? Schon da sitzt eine fette Schere, wenn wir in Musik, Film, Theater, Kunst, Literatur etc. denken und unterscheiden....


    Nur mal lose am Morgen in den Raum geworfen....


    zwaengo

  • Was sich für mich als Profimusiker geändert hat, ist das ich jetzt meine Aufnahmen selbst bezahlen muss. Wenn ich engagiert werde eine Aufnahme zu spielen werde ich trotzdem weiterhin bezahlt. Das liegt in erster Linie in der Umstrukturierung der Töpfe. Heute werden Aufnahmen aus einem anderen Topf finanziert. Je nach Grösse der Produktion kann sie sich nachträglich amortisieren oder auch nicht. Grundsätzlich kann heute vor allem der Aufnahmen machen und veröffentlichen, der A. Geld hat oder B. das Geld oder einen Teil im Rahmen einer Mischkalkulation damit wieder erwirtschaften kann.
    Ansonsten haben sich viele Bereiche verbessert. Ich spiele so viel wie nie zuvor und die Gagen steigen wieder, nachdem sie fast 20 Jahre auf gleichem Niveau waren.
    Ansonsten habe ich auch vor 35 Jahren schon Musikstücke im Radio aufgenommen, oder sogar ganze Sendungen. Klar, heute ist die Qualität besser, aber wenn mir was gefallen hat, habe ich's mir damals gekauft und so mache ich's heute auch noch. Weil ich heute mehr Angebote habe, heisst das aber nicht, das ich mehr kaufe, denn das was mir gefällt steht eigentlich im gleichen Verhältnis zu früher.
    Musik bleibt Musik, bleibt Musik.
    ;)

    Einmal editiert, zuletzt von Schlagsaite ()

  • Ich gehe mit dem Grundtenor des TAZ-Artikels mit. Sehe aber zusätzlich auch Probleme beim Thema "Ich will bekannt werden und mit Musik Geld verdienen, also muss ich Nischenmusik machen".


    Ich habe Musiker, bzw. Menschen die ein Instrument beherrschen, beobachtet, die, entgegen ihrer musikalischen Vorlieben, krampfhaft versuchen etwas zu erschaffen dass es noch nicht gibt. Dabei geht es ihnen nicht um Selbstverwirklichung oder dem Aspekt "Ich mache Musik weil es mir gefällt und ich mache die Musik die in mir fließt und die mich bewegt" sondern rein um den Marktwert oder das finanzielle Potenzial. Sicher gibt es auch Leute die auf diese Weise neue Möglichkeiten, Facetten usw. kennen und lieben lernen, nur ist das, zumindest in meinem Sichtradius, nicht der Fall. Da wird konsequent der Markt analysiert und darauf geachtet was man auf keinen Fall musikalisch umsetzen sollte wenn man Erfolg haben will. Scheiß egal ob dem Musiker diese Richtung eigentlich am Herzen liegt.


    Das ist für MICH das Kernproblem, dass es soviele Leute gibt die nicht mehr auf ihr Herz hören können oder wollen, weil sie viel zu sehr mit dem Separieren ihrer selbst von ihren Gefühlen beschäftigt sind und sich im Endeffekt selber beschränken.


    Ich brauche im übrigen keine Superstars und Rockstars die Musik für Millionen machen, ich brauche Musik mit Herz und finde diese auch zwischen den millionen von Künstlern die ihre Ware feilbieten, weil die Anziehungskraft dieser Kunst unabhängig von Marketingkampagnen und tollen Plattencovern steht und mich berührt. Richtig ist natürlich dass man niemals die gesamte Musik bewusst hören kann, die es eigentlich verdient hätte, aber dafür ist man ja auch nicht alleine auf der Welt und es gibt immer Menschen die die Musik wertschätzen. Und wenn man eben nur die angesprochenen 15 Leute glücklich macht ist das doch ein Erfolg. Sind es die 15 Menschen nicht wert? Müssen es immer tausende sein? Ich finde nicht.


    Beste Grüße, Josef.

  • drumdidi: nichts gegen deine Erfahrung und deine Ansichten aber ich finde deinen Argumentationsstil gerade etwas anstrengend. Ich habe dich ja weder in eine Ecke gedrängt noch kritiklos dem Web 2.0 gehuldigt. Ich habe nur die Dinge aufgegriffen, die du geäußert hast. Es gibt die Fakten und es gibt die persönliche Einschätzung dieser Fakten.


    Es gibt enorm viele Dinge, die ich an der Gesellschaft und dem Netz kritisiere. Das tue ich auch ganz offen, denn es macht mir großen Spaß (es ist praktisch mein berufliches Hobby) über solche Dinge zu sinnieren.


    Als Musiker geht es mir aber darum, mir die guten Dinge rauszupicken und zu sehen, wie ich damit so arbeiten kann, dass es mir Spaß macht und ich davon leben kann. Ich muss nicht den ganzen Tag Chartmusik im Internet hören und dazu verwackelte youtube videos sehen. Mir steht es aber zB frei, den interessanten Blog des Kollegen Oli Rubow zu lesen, den Links dort zu folgen, die mich wieder in andere interessante Bereiche bringen. Und diesen Teil des Internets finde ich richtig toll. Und ich habe mir erlaubt, diese Seite hervorzuheben.


    Ich kaufe mir immer noch altmodisch CDs, lade nie Dinge herunter und sehe - im Gegensatz zu dem ein oder anderen Kollegen hier - Firmen wie Apple äußerst kritisch. Dort sehe ich große Gefahren, denn die Vielfalt im Netz ist oft nur noch Ausdruck des Kampfes zweier Industriegiganten um Macht und Werbegeld. Die Tatsache, dass vor ein paar Tagen eine unbekannte Person meine Apple ID geknackt und innerhalb von wenigen Minuten für fast 1000 Euro auf meine Kosten eingekauft hat, stimmt mich da auch nicht euphorischer. Große Firmen schaffen Datenpools, die ihnen Macht verleihen, von der noch keiner weiß, wie sie damit umgehen werden. DAS finde ich besorgniserregend!


    lg
    max


    Oli: Elektro Guzzi finde ich prima!

  • Ich bin in vielen Punkten recht nah bei luddie's erstem Post.


    Tatsächlich gab es dieses "jetzt steht mir die Welt offen, jetzt kann ich meine Sachen im Netz groß rausbringen" ja früher bei eingeschränkten Verbreitungsmöglichkeiten in kleinerer Form auch schon. Man denke an die Neue Deutsche Welle, Nu Wave, Grunge oder noch viel schlimmer der heute ach so beliebte volkstümliche Schlager (WÜÜÜRRRGGG!!!). Als damals NDW richtig los ging, haben auch sehr viele Leute auf den Zug aufspringen wollen, haben banale Lieder mit albernen Texten gemacht und teilweise auch kleine und mittlere One Hit Wonder rausgebracht, um dann direkt wieder abzutauchen. Und ich möchte gar nicht wissen, wie viele sicher technisch versierte Musiker jetzt in Seattle einem musikfernen Beruf nachgehen, die vor 20 Jahren mal für zwei, drei Jahre in einer Grunge Kapelle auf der Welle mitgeschwommen sind. Nirvana und Nena kennt auch heute noch jeder, tausende andere Künstler sind wieder untergetaucht.


    Und diese Illusion, dass man mit kleinen Mitteln Musik machen kann und diese dann im Netz Verbreitung findet, wenn man sich einfach an einen Trend anhängt, gibt es heute halt eben in vielfältigerer Form. Früher musste ein Rapper eben irgendwo ne Auftrittsmöglichkeit für sein Gestotter finden, heute dreht er mit der Handycam ein Video vor dem Lamborghini-Laden, stellt den Rotz ins Netz und meint, er wäre 50 Cent. Es ist halt so, dass man durch die freie Verfügbarkeit dieser ganzen Medien heute nicht mehr daran gehindert wird, auch banale bzw. schlechte Musik der Öffentlichkeit zu präsentieren. Das direkte Feedback vom Publikum hat man dort nicht, eine Million Klicks in der Tube sagen ja noch nix darüber aus, ob das reingestellte eine gewisse Eigenständigkeit oder Qualität hat (erinnert sich noch jemand an Money Boy?).


    Ich glaube nach wie vor, dass ein Künstler oder eine Band, die was zu sagen hat, die Sachen aus Eigenmotivation macht und nicht, um einen Trend zu bedienen, und dies auch in einer angemessenen Form präsentieren kann (live spielen idealerweise), heute genau so gute Chancen hat, sich durchzusetzen, wie vor 20 Jahren. Durch die gefühlt fehlende Notwendigkeit, sich auf Bühnen ein Publikum durch gute Performances erspielen zu müssen, kann man halt schnell der Illusion unterliegen, man könne mit Musiksoftware Lieder zusammenbasteln, sie ins Netz stellen und fertig ist der Lack. Diesen Schritt gab es vor dem Web-Zeitalter halt nicht, da haben viele Bands eben nie das Proberaumstadium verlassen, weil es nichts gab, was es wert gewesen wäre, der Öffentlichkeit zu präsentieren. Heute schieben diese Bands oder Einzelkünstler ihre Sachen in die Tube und gehen dort im Wust unter, weil sich nichts aus der Masse heraushebt. Guckt man sich die heute bekannteren Acts im Pop- und Rockbereich an, die etwas längere Verweildauer haben, dann haben die alle eine gewisse Eigenständigkeit, Wiedererkennungswert und in der Masse sind sie in der Lage, auf der Bühne einen unterhaltsamen Auftritt hinzulegen (selbst die sicher kontrovers diskutierbare Lady Gaga kann das, auch wenn man über ihre Authentizität sicher geteilter Meinung sein kann, aber auch die hat früher in Clubs schon ihre etwas eigenwilligen Auftritte gemacht).

    667 - The Neighbour Of The Beast!!

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