Unterrichtsgebühren - zwischen Markt, Moral und Sachzwängen

  • Gute Idee, Christian.


    Vielleicht wäre ja sogar ein Moderator bereit, die Beiträge zu diesem Thema aus dem anderen Thread hier hinein zu schieben.


    Jetzt zum Thema: Ich orientiere mich mit meinem Unterrichtshonorar an der Musikschule, an der ich auch tätig bin. Mein Honorar liegt ein paar Euro darunter, was ich heute nicht mehr so machen würde. Damals dachte ich, es wäre besser so. Heute müsste ich mit der Honorarerhöhung etwas kräftiger zuschlagen um das wieder einzuholen, will das aber meinen Schülern nicht auf einen Schlag zumuten.


    Meine Unterrichtsbedingungen kann man sich übrigens auf meiner Homepage herunterladen. http://www.drumsandbeats.com/d…nterrichtsvertrag2008.pdf


    Den Vertrag werde ich demnächst noch mal überarbeiten - zusammen mit einem Rechtsanwalt. Insbesondere der Punkt "Stunden, die wegen Erkrankung des Lehrers ausfallen, werden nach Möglichkeit nachgeholt." funktioniert in der Praxis nicht. Ich kann wegen Krankheit ausgefallene Stunden terminlich einfach nicht unterbringen. An der Musikschule, an der ich unterrichte, werden Stunden, in denen ich krank bin, grundsätzlich nicht nachgeholt - bei Honorarfortzahlung.


    Es gibt übrigens auch ganz interessante Vertragsvorlagen von der Gewerkschaft: http://musik.verdi.de/freiberu…en_privat-musikunterricht

    "If you don't feel it, don't play it." James Jamerson

  • Ich hab das hier ja so angestossen, weil es mir ein Anliegen ist, das man auch als Musiker durchaus mal betriebswirtschaftlich denken und nicht immer gleich dem Gefühl nachgeben sollte, das man aus dem Umstand heraus, das man etwas tut, was man liebt/gerne tut, und der Tatsache das man sich glücklich schätzt, einen so exklusiven Beruf auszuüben, man kein oder nur wenig Geld verlangen dürfe...
    Diese Selbstausbeutung findet in unserem Beruf leider tagtäglich statt.
    Gerade weil ich selbst viele Jahre lang zu zaghaft in Businessfragen war, reite ich heute bei Kollegen recht hartnäckig drauf herum und weise auf missliche Kalkulationen hin, wenn sich mir der Eindruck erweckt, das da was nicht zu Ende gedacht wird.
    Angestossen wurde dies bei mir vor einigen Jahren durch eine Tour in Skandinavien und in der Schweiz, wo ich mich mit einheimischen Musikern über geschäftliche Abläufe und Honorare unterhalten habe.
    Ich war damals extrem erstaunt, wie anders dort manche Dinge gesehen wurden und aus welchem Selbstbewußtsein heraus Forderungen bzgl. Honorare aufgestellt wurden, weil die Leute z.b. ein Hochschulstudium der Musik abgeschlossen hatten. In Dänemark gibt es da sogar gewisse Mindesthonorare, die man einem studierten Musiker anbieten muss. Völlig unvorstellbar in Deutschland, weil hier ja immer auf den freien Markt gesetzt wird...
    Das Problem in unserem Beruf ist aber, das aus der Verquickung von Leidenschaft (kommt das eigentlich von Leid???) und einer gewissen betriebswirtschaftlichen Unprofessionalität, die in Deutschland sehr stark mit dem Zerrbild des Künstlers verbunden wird, eine sehr ungesunde Mischung entsteht, die meist in einer Konsequenz resultiert, das man keine wirtschaftlich gesunden Forderungen formuliert.


    Es wurde ja bereits angemerkt, man müsse ja auch auf andere Rücksicht nehmen, man würde ja sonst gar nicht mehr auftreten, die Familien könnten sich dann ja gar keinen Musikunterricht mehr leisten...
    Hier schlägt ja genau die Falle zu!
    Tauschen wir jetzt mal den Beruf des Musikers/Musiklehrers gegen einen anderen selbständigen Beruf mit hoher Qualifikation aus.
    Sagen wir mal, wir reden von einem ....Rechtsanwalt... 8|
    Und schon fällt jegliche Argumentationskette, die zuvor im Zusammenhang mit einem Musiker aufgelistet wurde, warum man keine wirtschaftlichen Honorare verlangen kann, in sich zusammen.
    Wir können auch Grafiker/Webdesigner/Steuerberater usw. nehmen.
    Am Ende stellen wir fest, das in diesen Berufen niemals so argumentiert wird.


    Am Ende dieses Gedankenganges steht nämlich imho die Erkenntnis, das einfach klar werden muss, das auch künstlerische Tätigkeiten, Lehrtätigkeiten ihren Preis haben, der in Wahrheit viel höher liegt, als er derzeit angesetzt ist, das System aber nur so läuft, wie es läuft, weil die Anbieter der Leistung zur Selbstausbeutung bereit sind. Eine schmerzhafte Erkenntnis für beide Seiten. Den Musiker und denjenigen, der die Leistung des Musikers gerne konsumieren möchte.
    Worauf ich hinaus möchte ist, das man begreift, das man sehr wohl Geld verlangen darf, sogar muss, und dies in wirtschaftlich gesunden Verhältnissen.
    Die Zahlen der KSK, das Thema Altersarmut bei Künstlern, das Fehlen jeglicher Absicherungen für den Fall einer ernsthaften Erkrankung sprechen Bände.
    Wer kennt nicht diesen Dialog: hast du eine Versicherung für Krankheitsausfälle, Zusatzrentenversicherung?...Hä, wovon soll ich die bitte bezahlen???...Dialog: Ende!
    Dies alles leisten wir Musiker schon seit Ewigkeiten, damit der Rest der Gesellschaft unsere Leistung möglichst günstig konsumieren kann. Das nenne ich Selbstausbeutung!
    Wie kann man das ändern?
    Nur wir selber, indem wir einfach aufhören, permanent zu unwirtschaftlichen Bedingungen zu arbeiten, letztendlich natürlich auch mit der Konsequenz, das bestimmte Dinge dann so nicht mehr gehen können.
    Wenn immer mehr Musiker sich in diesem Bereich professionalisieren, so fällt mit der Zeit auch das Argument des sich gegenseitig Unterbieten irgendwann weg.
    Der Weg dahin ist steinig, klar. Wie ich vorher im alten Thread auch schon mal schrieb, dann spielt man vielleicht auch seltener als zuvor, aber dafür zu ordentlichen Konditionen.
    Das Ganze hat auch irgendwie etwas mit Selbstwertgefühl zu tun. Bin ich der Meinung, das meine Leistung einen gewissen Wert darstellt oder nicht.
    Vertritt man diese Auffassung selbstbewußt, ändert sich mehr als man zuerst vielleicht erwartet.
    Mein Selbstversuch brachte jedenfalls erstaunliche Ergebnisse, die sich verblüffend mit den Ausführungen im "Ratgeber Freie", den ich bereits zitierte, decken...


    Vergleichen wir uns mal mit Berufsgruppen mit ähnlichem Profil, so müssen wir feststellen, das diese Berufe ein vielfaches dessen an Umsatz p.a. generieren, was der durchschnittliche Musiker erzielt.
    Liegt das wirklich an der Tatsache, das es nicht anders geht? Ist das ein ehernes Gesetz, das man als Musiker weniger Geld für vergleichbare Leistungen bekommt?
    Meine These lautet eindeutig: nein!
    Denn ich kenne genügend Freiberufler/Selbständige aus anderen Tätigkeitsfeldern, die ganz klare wirtschaftliche Grundprämissen aufstellen und bei einem Stundensatz von unter 20€ nur den Kopf schütteln, zu dem aber viele Leute an privaten Musikschulen unterrichten. Die checken nur oft gar nicht, das sie zu völlig hanebüchenen Honoraren arbeiten und kreieren oft den gruseligen Satz: hey, ich hab doch nen Stundenlohn von 18€.
    Das kriegt die Kassiererin im Supermarkt nicht..
    Aaaargh, Einmaleins des Freiberuflers nicht gechecked und mit Angestellten verwechselt! Setzen! Sechs!


    Genauso verhält es sich mit Gagen, wo viele Leute einfach unterschätzen, wie hoch eigentlich eine wirtschaftliche Live-Gage sein muss, wenn man ernsthaft davon leben und nicht nur überleben will.
    "Ey, ich hab doch nur 3h gespielt und krieg dafür 150€. Das macht doch 50€ Stundenlohn! Voll fett Mann!"
    Wieder einmal null Peilung von Selbständigkeit! Setzen! Sechs!


    Kehre ich zum Beruf des Instrumentallehrers zurück, so ist der vergleich mit einem Lehrer an einer allgemeinbildenden Schule absolut erlaubt.
    Ich frage dann einfach mal, was verdient ein Lehrer an einem Gymnasium?
    Wie viele Wochenstunden unterrichtet er an der Schule, wie viel Zeit muss er mit Vorbereitung Unterricht verbringen, wie sieht es mit Krankheitsfall aus, Rente, Absicherung, Fortbildung usw.?
    Erschreckend, wenn man feststellen muss, das selbst ein Musiker, der 40 Wochenstunden unterrichten würde, was defacto gar nicht zu leisten ist, niemals nur in einer vergleichbare Nähe zu so einer Vergütung kommen könnte.
    Und ich berücksichtige mal nur die reine Lohnzahlung und lasse alle Zusatzleistungen aussen vor.
    Um sich Fragen der Wirtschaftlichkeit zu stellen, sollte man sich durchaus solche Dinge mal vor Augen führen, um seine eigenen Honorarforderungen zu formulieren.
    Unterm Strich geht es dabei auch nicht, wirklich das Gleiche Einkommensniveau zu erreichen, sondern nur darum sich klarzumachen, wie weit eigentlich aus der Perspektive des Musikers selbst vermeintlich horrende Honorare noch von solchen Einkommen entfernt sind.
    Und deshalb bin ich auch der Meinung, das sich Musiker einfach weigern sollten, an irgendwelchen Musikschulen zu Honoraren zu unterrichten, von denen man eigentlich nicht oder nur als Hungerleider existieren kann.
    Genauso sollten Musiker viel häufiger einfach mal sagen, zu dieser Gage spielt unsere Band nicht. Nur so ist es möglich, aus diesem Teufelskreis auszubrechen.

    2 Mal editiert, zuletzt von drumdidi ()

  • Hi didi,


    das sind grundlegend richtige Gedanken, die Du Dir machst und ich würde die auch gerne so unterschreiben. Alas, das wirkliche Leben sieht aber leider anders aus. Qualität ist heute nicht mehr wirklich etwas wert, es geht niemals mehr darum, ob man eine Leistung abliefert, für die man ein hohes Honorar verlangen könnte.


    Wenn Du es veranschlagst, gehe ich halt eine Ecke weiter- da steht der nächste und macht es für billiger. Das wurmt die meisten Kunden dann auch nicht, ob der eine vergleichbare Leistung bringt- Hauptsache, Geld gespart. So ist das in jeder Branche, wo es ein Überangebot gibt. Das ist ja das Tolle an der Marktwirtschaft- halt nur nicht für die Dienstleister :( .


    Natürlich kannst Du sagen, ich spiele auf der Veranstaltung xyz nur ,wenn ich da angemessene Gage kriege. Fakt ist jedoch, dass Du dann sehr schnell gar nicht spielst, denn da gibt es haufenweise Bands, die würden für so einen Gig vielleicht sogar noch was bezahlen und dem Veranstalter das Auto waschen und die Fenster putzen. Also, was tun? Unter Wert verkaufen oder im Keller hocken und Däumchen drehen? Schwierig.


    Da bin ich inzwishen insgesamt froh, dass ich den Weg des Profimuckers nicht eingeschlagen habe und das Ganze nur noch "semiprofessionell" betreibe. Ich brauche nicht davon zu leben und kann darum auch mit unwirtschaftlichen Gagen zufrieden sein- obwohl ich es weiss Gott auch gerne anders hätte.


    Blöderweise wird es wahrscheinlich in nächster Zeit sogar eher noch schwerer werden- und dass die Solidarisierung unter den Musikern nicht funktionieren wird, wage ich jetzt schon mal voraus zu sagen. Nichtsdestotrotz fände ich es eine gute Idee.


    LG

  • drumdidi:
    Ich finde es absolut verständlich und nachvollziehbar, was du schreibst. Meiner Meinung nach gibt es aber noch einen anderen Grund, warum Musiker nicht so viel verdienen wie zum Beispiel Rechtsanwälte oder Schullehrer: Das gesellschaftliche Ansehen (man könnte auch von "Wert oder Nutzen" sprechen) eines Musikers liegt bei weitem nicht so hoch wie der der anderen genannten Berufsgruppen. Das ist jetzt nicht meine persönliche Meinung, sondern eine Vermutung darüber, welches Bild unsere Gesellschaft von Musikern hat. Allein die Bezeichnung Musiker wird doch für die meisten Laien eher in den Bereich "Hobby", denn in den Bereich "Beruf" eingeordnet. "Ein Lehrer bereitet die jungen Generationen auf das Leben vor" (mal überspitzt dargestellt), Rechtsanwälte agieren in ihrem Beruf in einem völlig anderen Universum als "Ottonormal-Bürger". Das sind doch die Klischees und die Bilder, die vermutlich die meisten so von bestimmten Berufsgruppen haben. Die wenigsten Eltern werden Verständnis dafür haben, ihre Kinder für 30€ die Stunde oder mehr zu einem Schlagzeuglehrer zu schicken - das Kind will ja womöglich nächste Woche eh wieder was andere machen... Auch spielt die Entwicklung des Dienstleistungssektors da eine tragende Rolle. Die wenisten Eltern sehen wohl im "Musikerdasein" eine Lebensperspektive für ihr Kind.


    Was ich damit sagen will: Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis sich das gesellschaftliche Bild des Musikers gewandelt hat. Das wird ja mit den vielen entstehenden musikalisch ausgerichteten Bildungsanstalten vorangetrieben. Aber viele von denen sind staatlich vielleicht noch nicht anerkannt oder die meisten Leute denken dies und sind skeptisch. Dann doch lieber ins "sichere" Angestelltenverhältnis. "Lern was Anständiges..."


    Sind so meine Gedanken dazu.


    Flo

  • das selbst ein Musiker, der 40 Wochenstunden unterrichten würde, was defacto gar nicht zu leisten ist,


    nur so nebenbei, ich will deinen post sonst einfach so stehenlassen. aber: warum geht das nicht? ich unterrichte in einer ganz normalen woche an 6 tagen ca. 38,5 zeitstunden. das sind 51,33 schulstunden falls ich richtig rechne. im letzten jahr waren es noch 4 schulstunden mehr. eine volle stelle an einer realschule in nrw wird mit 28 pflichtstunden gehandelt. dazu kommt natürlich noch die komplette unterrichtsvor- und nachbereitung und all die dinge die ein selbständiger so zu erledigen hat. ganz nebenbei bin ich ja auch noch musiker und trete öffentlich auf. da kommen dann schon mal 14 oder 16 stundentage zusammen. ohne üben.



    nicht das mich jemand falsch versteht: ich will bestimmt nicht klagen. nur falls jemand mit "und was machen sie so tagsüber?" und "und davon kann man leben?" ankommt.

  • Kleine Anmerkungen meinerseits: Es sind viele wichtige und richtige Punkte in deinem Post angesprochen worden. ein BWL Studium oder zumindest einige Grundlagen würden mir sehr gut tun, das merke ich immer wieder.


    Andererseits:
    Wenn Du (wie ich) in unserem Job eine Familie ernähren musst und dich an einer privaten Musikschule bewirbst, arbeitest du zu deren Konditonen oder ein andere tut es. Klar sind die immer an motiviertem und hochqualifiziertem Personal interessiert, aber wie viel halbgare "Möchtegern Musiker" machen den Job trotzdem, ohne das irgendeiner deren Kompetenz in Frage stellt....
    Im Unterrichts Sektor lohnt sich finanziell imho nur das geschickte Aufziehen einer eigenen Institution. Aber dafür braucht man natürlich auch das richtige Umfeld. Die von Dir geforderten Lohnerhöhungen müssen aber auch erst mal da sein. Abzüglich aller Abgaben / Steuern / Mieten / Investitionen bleibt dem Arbeitgeber Musikschule weniger als man als Honorarkraft denken mag. Zumindest in den Schulen die alle Ferien durchzahlen und keine U-St. Befreiung haben.


    Grüße


    Christoph

  • Was mich irritiert ist folgendes:


    Musiker, die "Semi-professionell" arbeiten, also nicht den gesamten Lebensunterhalt mit Musik verdienen bzw. verdienen müssen, stehen hier als Preis-Verderber in der Kritik. Vermutlich ist da was dran.


    ABER


    eigentlich sind die Semi-Profis in der besseren Lage, denn sie sind nicht gezwungen Jobs anzunehmen, die nicht anständig bezahlt werden, weil sie ein musikunabhängiges Einkommen haben. So gesehen sind Voll-Profis viel erpressbarer.


    Meine Lage ist genau die, dass ich einen Vollzeitjob habe und leicht "Nein" sagen kann, wenn mir jemand einen Job für nen Appel und ein Ei anbietet. Die private Finanzplanung gerät nicht durcheinander, wenn ich einen Job nicht mache. Wir Nebenher-Verdiener sollten uns mit den Vollzeit-Musikern solidarisch zeigen und nicht unter Wert arbeiten - wir können uns das leisten.


    Nils

  • Nils, genau das habe ich auch gedacht, aber mich nicht getraut es zu schreiben...
    Aber im Grunde genommen gehört sowas legislativ geregelt und nicht in die Hände der Selbstdisziplinierung und Solidarität der "Berufsgruppe".
    Bleiben wir bei Analogien:
    Wenn ich Arzt bin, sind meine beruflichen Fähigkeiten dadurch geschützt, dass niemand ohne Approbation meinen Beruf ausführen darf, als Rechtsanwalt ist Rechtsberatung außerhalb bestimmter Rahmenbedingungen auch verboten.
    In anderen Berufszweigen (wie zB bei mir die sozialpsychiatrische Betreuung) gibt es nur prozentuale Vorgaben über die erforderliche Qualifikation, von den Landschaftsverbänden festgelegt (zB 70% Stundenvolumen von akademischen Kräften mit 2 Jahren Berufserfahrung), der Rest darf auch mit Un- und Angelernten aufgestockt werden.
    Es scheint also am Ruf,am Prestige, an der Reputation des Berufszweiges zu liegen, inwieweit er sich schützen kann und darf. Zwischen Darbietung (Gigs) und Lehrtätigkeit sollte hier mMn unterschieden werden.

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  • Hallo, hoffe, ich darf mich als Nicht-Musiklehrer auch einschalten:


    Grundsätzlich gutes Statement von drumdidi, aber wie bei allen 'grundsätzlichen' Sachen zu unkonkret und etwas realitätsfern. Gewisse Dinge dürfen nicht mit demselben Maß gemessen werden, beispielsweise das notwendige Einkommen, daß ein Selbständiger braucht, um über die Runden zu kommen (ich denke, wir alle sind einer Meinung, daß man als Musiker kein neuer Bill Gates wird, oder?).
    Das Einkommen richtet sich im Wesentlichen danach, wofür es verwendet werden muß. Bei einem sparsamen Singlehaushalt ist das also wesentlich niedriger als bei einer 3-köpfigen Familie (und: ja, ich kenne einen Profimusiker mit mehr als 2 Kindern). Daher funktioniert also auch die Kalkulation für den Single anders als für den Familienvater (bzw. die -mutter), da er mit wesentlich weniger Entgelt pro Stunden bei gleicher Stundenzahl sein benötigtes Einkommen erreicht. Bei Familien kommt erschwerend hinzu, daß sich die Kinder u.U. beim (Allein-)verdiener mitversichern müssen, das ist dann privat und ordentlich teuer (zumindest ist das bei mir der Fall). Der Selbständige mit Kindern muß also, weil er ja auch nicht beliebig viel mehr arbeiten kann als der Single, einen deutlich höheren Stundensatz veranschlagen, um sein Einkommen zu erreichen. Und das sind nur die Effekte bei korrekter Kalkulation und Wirtschaftlichkeit/Sparsamkeit. Werden diese Faktoren vernachlässigt (Schlagzeuglehrer mit Audi A12 z.B.), muß immer mehr Entgelt pro Stunde verlangt werden, um ein bestimmtes Einkommen zu deckeln. Wir erinnern uns: man kann nicht unbegrenzt mehr arbeiten!


    Wenn ich euch erzählen würde, mit welchen Stundensätzen meine Branche teilweise arbeitet, einfach, weil sie es sich leisten kann, hätten wir die Diskussion genau von der anderen Seite her aufgezogen (wie kann man nur so viel ... usw.). Honorare sind problematisch, sofern sie nicht gesetzlich geregelt sind. Wenn sie gesetzlich geregelt sein sollen, benötigt man formelle Vorgaben, wer für welches Honorar 'qualifiziert' ist. Notare und Steuerberater bsp. haben dieses verheißene Land bereits erreicht, was dazu führt, das schlimmstenfalls die Qualität der Beratung nicht mehr vorhanden ist, weil, sie haben ja mal studiert ...


    Für Musiklehrer heißt das: entweder Musikstudium, oder kein Geld für Lehrtätigkeit, weil nicht in der entsprechenden Gebührenordnung. Das kann's ja wohl nicht sein. Darüber hinaus: welches Musikstudium qualifiziert denn für die Lehrtätigkeit? Auch ein privates? Oder muß man an zwingend die Hochschule? Braucht man dann zwingend Abitur? Und so weiter ...


    Das könnt Ihr nicht wollen, oder?


    Die Konsequenz ist: kalkuliert sauber, was Ihr braucht als Stundensatz. Die Erfahrung ist, daß man einen Stundensatz, von dem man weiß, daß er einen ernährt ohne den Kunden abzuzocken, wesentlich besser vertreten und damit verkaufen kann als irgendeinen Mondwert, und sei er von noch so vielen Institutionen belegt worden. Die Semiprofis müssen sich wohl am Durchschnitt Ihrer Gemeinde orientieren, selbst wenn sie weniger verlangen könnten. Das hat was mit Selbstdisziplin zu tun ... andererseits können sie's ja auch sein lassen.


    So, das wirkt jetzt, als hätte ich zuviel Zeit, was nicht der Fall ist, also:


    beste Grüße, S.

  • Nur um das nochmals klarzustellen.
    Ich möchte nur Denkanstösse geben, nicht jemanden kritisieren oder verurteilen. Das steht mir gar nicht zu, weil ich ja selbst Teil dieses Apparates bin (so von wegen "der werfe den ersten Stein...")
    Ich möchte eigentlich erst mal nur erreichen, das man das Problem überhaupt erkennt, weil ich viel zu oft erlebe, das Kollegen gar nicht erkennen, das sie zu unwirtschaftlichen Bedingungen arbeiten, die dann existenziell bedrohlich werden, wenn das eingependelte System gestört wird und man feststellen muss, das das System in sich nie tragfähig war.


    Vor einer Veränderung steht nun mal die Erkenntnis. Dafür werbe ich erst mal.


    Überall dort, wo eine Möglichkeit besteht, sollte man versuchen, die Zustände zu verändern. Wenn es zur Konsequenz hat, das man sich als Musiklehrer unabhängig macht, dann soll das so sein.
    Wenn es die Konsequenz hat, das man wenig spielt, dann ist das dann so.
    Ich sagte ja schon vorher, das es Konsequenzen hat, wenn man versucht, den Teufelskreis zu durchbrechen.


    Nur im Gegensatz zu der weiter oben von Reed311 vertretenen Ansicht, das man dann einfach irgendwann raus ist, sehe und erlebe ich das total anders.
    Man spielt vielleicht viel weniger, als man gerne würde, aber man gewinnt auch eine Menge freie Zeit und kann in der Zeit wieder andere Dinge anschieben, wozu ansonsten die Kraft fehlt, weil man nur am struggeln ist. Das man per Automatismus sofort komplett abgemeldet ist, wenn man höhere Honorare verlangt, kann ich einfach so nicht bestätigen.
    Seltsamerweise steigt hier und da sogar manchmal das Ansehen, wenn man zu anderen Kursen arbeitet, was mich zu den Ausführungen von flowdrums bringt.
    Ich glaube nämlich, das die gesellschaftliche Wahrnehmung, die du da beschreibst, eine Frage der Ursache und Wirkung ist, wobei die Wirkungskette genau anders herum ist.
    Da so viele Musiker so unwirtschaftlich arbeiten, werden sie auch entsprechend angesehen/behandelt.
    Wer kennt nicht das Phänomen, das man i.d.R. mit steigender Gage besser vom Veranstalter behandelt wird.
    Veranstalter kategorisieren ihre Bewerber alleine schon nach der Höhe derer Gagenvorstellungen. Wer für die Band nur 500€ am abend verlangt, soll sich auch nicht wundern, wenn es dann kein Catering, keine Getränke und auch kein Hotel gibt und geschweige denn respektvoll behandelt wird. Alte Regel: was nichts kostet ist auch nichts wert...


    Ein Satz wie: zu diesen Bedingungen kann ich einfach nicht arbeiten, kreieren auf Dauer einen gewissen Respekt.
    In anderen Branchen absolut üblich und nicht sanktioniert.


    Ich habe ja den Begriff der Selbstausbeutung eingeführt, den ich nach wie vor als entscheidenden Knackpunkt in der Situation sehe.
    Wir ALLE neigen zur Selbstausbeutung, weil wir den Job doch noch gerne machen möchten, weil wir die Familie ernähren müssen, weil wir glauben, das wenn ich den Job nicht mache, jemand anderes den Jobmacht usw.
    Natürlich sind die Gründe alle real, alle verständlich und nachvollziehbar, aber soll man sich nun als Endergebnis darin fügen und einfach sagen, so ist das halt?
    Ich habe diesen Automatismus aufgrund persönlicher (schicksalhafter) Erlebnis für mich durchbrochen und kann nur sagen, das ich seitdem eine deutlich bessere Lebensqualität habe.
    Was das Geld angeht, habe ich seltsamerweise gar nicht weniger als vorher, aber deutlich mehr freie Zeit zum Leben und ich arbeite weiter daran, dies zu optimieren.


    Ich sehe das anders, weil ich auch nicht auf dieser Welt bin, um mich kaputt zu machen. Ich fand Musikerbiografien, die mit der totalen Selbstzerstörung enden weder glorreich noch sehr erstrebenswert, auch nicht mit dem Lohn des grossen Ruhms..


    @ PCollins: genau genommen ist meine Kernaussage auch nur genau das, was du in deinem Post beschreibst. Deshalb sehe ich mich gar nicht so realitätsfern ;)
    Meine Forderung ist, spitzt den Bleistift und beginnt mal durchzurechnen, auf Grundlage welcher Stundensätze eine gesicherte und gesunde Existenz möglich ist.
    Die Beispiele, die ich aus anderen Berufsfeldern angeführt habe, meinte ich nicht als Vorlage, so soll es sein, sondern nur um zu verdeutlichen, das viele Gedankenmuster bei Musikern so absurd sind, wenn man sie mal in den Kontext anderer Berufe stellt.
    Das man als Musiker nicht unbedingt reich wird, ist ja auch gar nicht das Thema. Es geht hier um ganz profanes Arbeiten in wirtschaftlich gesundem Rahmen, mehr nicht ;)

    Einmal editiert, zuletzt von drumdidi ()

  • Ride-Z:
    ich finde die Frage, was andere Branchen für Stunden- bzw. Tagessätze haben ganz interessant.


    Ich arbeite als Systemadmin und habe dadurch in der IT-Branche etwas Einblick. Externe Unterstützung für Administrative Geschichten ist zwischen 800 und 1000€/Manntag zu haben. Für Leistungen z.B. von Datenbankentwicklern sind ca. 1000-1100€/Manntag fällig. SAP-Berater kosten bereits 1800-2000€/Tag.


    So, jetzt sag nochmal einer 400 € Tagessatz für einen qualifizierten Musiker seien zu viel.


    Nils


    BTW: dies ist für mich der seit langem interessanteste Fred.

  • ... Wir Nebenher-Verdiener sollten uns mit den Vollzeit-Musikern solidarisch zeigen und nicht unter Wert arbeiten - wir können uns das leisten ...


    AMEN !!!

    ..."meine" Musik: Jazz (Big Band bis Free), brasil. Musik, Avantgarde, hin+wieder Klassik ->am Drumset, an den Percussions, am Schlagwerk

  • Moin,


    ich finde grade der Vergleich mit Web-Designer, Grafiker oder Steuerberater ist an der Stelle (un)passend. Denn auch hier wird viel "nebenbei für andere für kleines Geld" gemacht, weil man ja hobbymäßig bissi was in den Bereichen drauf hatte.
    Das mit dem solidarisch erklären ist nett gedacht wird aber nicht funktionieren. Es gibt einfach zuviele Musiker, denen das Geld völlig egal ist und die auch mal für lau oder kleines Geld einen Job übernehmen einfach weil es Ihnen Spaß macht.

  • drumdidi: sorry, ich wollte nicht Dich als realitätsfern diskreditieren. Hab nur ein bißchen 'scharf' formuliert, um Aufmerksamkeit für meine späteren Postulate zu erzeugen. Nix für ungut, ich denke, wir sind im Wesentlichen auf derselben Linie :)


    nils: ich bin u.A. Datenbankentwickler und kann Deine Zahlen bestätigen. Das Problem ist weniger, ob 400 'genug' sind, als vielmehr das Durchsetzen eines gewissen Stundensatzes, egal ob genug oder nicht. Im IT-Bereich können solche Sätze realisiert werden, weil sehr häufig weniger die Qualifikation als vielmehr die Not des Kunden auschlaggebend ist. Der IT-ler besitzt schwer zugängliches Know-How, welches für den unbedarften Laien schon an Magie grenzt (etwas überspitzt formuliert). Der Einsatz dieser Fertigkeiten führt beim Kunden oft zu sehr großem Nutzen, den er mit entsprechender Bezahlung honoriert. Sieht der Kunde den Nutzen nicht, oder kann er ihn nicht einschätzen, wird er auch nicht zwingend viel Geld bezahlen wollen (diese Erfahrung mache ich in meinem Betätigungsfeld immer wieder). Firmen wie SAP oder auch die DATEV u.A. haben sich in der Vergangenheit einen guten Namen gemacht, mit dem sie jetzt Ihre überzogenen Entgelte erklären. Da ist der Kunde gefordert, sich durch Vergleiche einen Überblick zu verschaffen und dies zu unterbinden.


    Im Musikbusiness ist der Nutzen-Faktor ebenfalls relevant, aber nicht sehr gut sichtbar: es ist eben 'nur' Musik. Daher kann es helfen, andere Argumente zu finden, um entsprechende Effekte zu erreichen, drumdidi etwa scheint sich da beispielsweise ganz gut zu verkaufen. Ein gesundes Selbstbewusstsein ist nicht ganz abträglich, wenn man sein Gegenüber von der eigenen Werthaltigkeit überzeugen will...


    egnever (weiter oben): nein, eigtl. nicht, aber das Thema ist sehr interessant, nicht nur für Musiklehrer ;)


    Beste Grüße, S.

  • Als Musiker muss man sich darüber im Klaren sein, dass man sich mit keiner anderen Berufsgruppe vergleichen kann. Die gut bezahlten Arbeitsplätze sind derartig rar gesät, dass es wirklich nur wenigen gelingt, ein sorgenfreies (Familien)-Leben davon finanzieren zu können.


    Ganz nebenbei ist die „Haifischbecken“-Situation ja nichts Neues. Es gab immer Zeiten, in denen ein „Billigjacob“ anderen das Leben schwer macht. Das ist eben eine klassische Angebot- und Nachfragekonstellation. Nur die Harten kommen in den Garten.


    Und um auf das eigentliche Thema Unterrichtsgebühren zurückzukommen: Man darf ja nicht den Zieladressaten vergessen, – den Kunden nämlich – der diese Stunden bezahlen soll.


    Der hat auch noch die Qual der Wahl zwischen gutem Lehrer für viel Geld und/oder schlechtem Lehrer - für noch mehr (Lehr)Geld…


    (Berufs)Musiker sein ist kein Zuckerlecken.


    Es hilft, sich mal ein paar Autobiografien von berühmten Zeitgenossen vorzunehmen. Die sind fast ausnahmslos am Anfang ihrer Karriere buchstäblich durch den Scheuersack gegangen. Die wollten – egal wie - Musiker werden und wussten, dass sie dafür alles geben und leisten müssen ohne zu wissen, was dabei herauskommt.


    .

    Schöne Grüße - Rainer K. aus B. an der W.

  • Man kann natürlich auch in den allgegenwärtigen Defätismus verfallen und sagen, da kann man nichts dran machen :S
    Also schön weiter für wahnsinnig niedrige an einer Musikschule 5 Tage die Woche knechten.
    Wenn man so eine Sicht auf die Dinge hat, dann ist natürlich nichts zu machen...


    Wie gesagt, ich will nur Denkanstässe geben. Welche Entscheidungen wer trifft, liegt immer noch in seiner Sphäre.


    Ich bin mehr in der Art gestrickt, das ich mich mit bestehenden Zuständen nicht abfinde, weder im privaten noch im beruflichen, sondern lieber aktiv versuche, Dinge in eine Richtung zu lenken, die mehr meinen Vorstellungen und Überzeugungen entspricht. Ein sich dem System anpassen und irgendwie durchkommen entspricht nicht meiner Natur.
    Deshalb akzeptiere ich keine normative Kraft des Faktischen.
    Und wie ich schon schrieb, sind meine Erfahrungen eben gar nicht so, wie sie oft als faktisch beschrieben werden.

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