Tagesschau zum Sterben der Musikgeschäfte

  • ... in meiner Jugend war der lokale Drum-Shop eine Instanz. Samstag versammelten sich immer lokale Drummer im Laden und die Kaffeemaschine hat wohl zeitweise mehr abgeworfen, als das Geschäft selbst. In Süddeutschland habe ich keinen solchen Laden mehr gefunden. Nach dessen Schließung (persönliche Gründe des Eigentümers), habe ähnliches in einem einzigen Geschäft in DE bis jetzt wieder erlebt. In Konkurrenz zum großen T zu positionieren kann m.E. nur scheitern. Der Einzelhandel hat aber auch Möglichkeiten, die dem großen T verschlossen bleiben. Wer diese nicht nutzt, wird nicht genügend verdienen können! Wenn man mit vielen Verkäufern spricht, sehe ich da allerdings keine(n) Musikfachmann /- frau, sondern maximal jemand, der das Licht im Laden an und aus macht. Das ist zu wenig.

    SCIENCE FOR THE WIN!
    Ich habe Interesse an; Zildjian K-Istanbul und Avedis Rides und Hihats (bis ende 60er) sowie Sonor Drumsets bis 1990! :thumbup:

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  • In Süddeutschland habe ich keinen solchen Laden mehr gefunden.

    Drumhouse in Freiburg. Der Eigentümer kauft sogar alte Hardware an, und macht die wieder fit, um die relativ günstig weiterzuverkaufen. Der steckt da auf jeden Fall einiges an Leidenschaft in seinen Laden.

  • Man sollte sich aber auch die Frage stellen, warum Thomann, Amazon etc. so groß geworden sind.

    Auch die haben mal klein angefangen und haben halt rechtzeitig auf das richtige Pferd gesetzt und konsequent an den richtigen Stellen investiert.

    Ich habe ja selbst ein paar Jahre in einem Schlagzeugladen gearbeitet und ich muss sagen, dass ich dem nicht hinterher trauere.

    Wer den Internet-Zug verpasst hat, wird diesen wahrscheinlich nie wieder aufholen können...

    Jeder hätte die Chance gehabt, auf diesen Zug mit aufzuspringen, wenn er seinen Riecher an der richtigen Stelle gehabt hätte. That's life.

  • Das ganze Arbeitsumfeld ist halt auch verdammt unattraktiv. Ich kenne einige Leute, die bei Musikhäusern oder im Vertrieb / B2B Bereich der Branche arbeiten (bzw. gearbeitet haben) und die sagen unisono, dass sie das niemandem empfehlen würden. Bezahlung, Zeiten, Zahlen-Druck, viel bescheuerte Kundschaft mit dummen Vorstellungen.


    In dem Beitrag liest man von einer lausigen Berufsschule für den ganzen Ausbildungsberuf. Geht also in der Ausbildung schon los, dass man sich da schlechten Bedingungen aussetzt (zumindest im größten Teil Deutschlands, der weit entfernt von dieser Schule liegt). Muss man wollen.


    Ich denke das ist dann irgendwie auch klar, dass potenzielle Kundschaft den Vorteil eines Ladengeschäfts nicht sieht, wenn da a) zu wenige und b) keine qualifizierten Leute arbeiten. Entweder haben die Angestellten wenig bis null Ahnung, oder lallen einen mit Insiderwissen aus der eigenen Praxis zu, das einem Einsteiger auch nichts bringt. Da fehlen dann auch einfach die "Vibes". Viele reden auch kaum mit einem und drücken einem bloß was auf.


    Da ist es, nur mit Blick auf die Kaufentscheidung, nachvollziehbar, wenn man sich 8 Snares nach Hause bestellt, sich durchprobiert und bestenfalls 7 wieder zurückschickt. Und sowas kann man halt echt wieder nur als ganz Großer einpreisen.


    Zalando und Co. machen es ja schon immer so, dass das auch auf andere Bereiche übergreift ist ja klar. Fahrräder kauft man ja mittlerweile auch viel online. Oder Matratzen. War mal undenkbar, sich sowas ohne Testen und Beratung anzuschaffen...


    Aber ja, gibt natürlich auch Unterschiede. Zu Session nach Walldorf fahre ich nur, wenn ich genau weiß, was ich holen will und vorher geguckt habe, ob es vorrätig ist. Der Laden macht einem wirklich keine Freude mehr. Früher bin ich da als Hingefahren, nur um mich mit den Leuten zu unterhalten. :D


    Der Drumladen ein paar Orte weiter fühlt sich nach wie vor ganz anders an. Da geht man noch gerne hin und bleibt auch ne halbe Stunde da, obwohl man nur ein oder zwei Paar Sticks holen wollte.

  • Ich bin ausgebildeter Kaufmann im Einzelhandel mit Fachrichtung Schlaginstrumente und habe 13 Jahre in der MI Branche gearbeitet.


    Viele Kunden sind unfassbar undankbare Arschlöcher. #darferdassagen?


    "Stammkunden" die stundenlang Arbeit verursachen und dann teure Artikel woanders bestellen. Nicht, weil es günstiger war, sondern weil sie gerade mal im Music Store oder bei der MP Hausmesse waren.

    Manche Kunden waren jeden Samstag da, haben meinen Kaffee weggesoffen, mir ne Stunde erzählt was sie alles in den Kleinanzeigen gekauft haben und sind maximal mit einem Paar Sticks abgehauen.


    Angebotsanfragen per Mail bei denen kein Hehl draus gemacht wird, dass die Mail an drums@thomann / Store / produktiv / Just / Maintal / Drumladen etc gegangen ist und der Vertrieb sich schon totlacht, weil du der 6. Händler heute bist, der nach Artikel XY fragt.


    Dieses permanente "nach dem Preis" fragen. 'was geht denn am Preis, wenn ich 2 Paar Sticks nehme?'

    Mal ehrlich... habt ihr schon mal im Supermarkt oder bei C&A nach'm besseren Preis gefragt?


    Ich habe auch schon erlebt, dass ich einem Kunden am Telefon von meinen eigenen Erfahrungen mit einigen Produkten berichtet habe.

    In 13 Jahren hat man verdammt viel Material in den Händen gehabt. Ich habe vermutlich mehr Sets zusammengebaut als das halbe Drummerforum besitzt.

    Und mit diesen Infos hat der Kunde hier im Forum rumgehupt und ich bzw meine Erfahrung wurde hier von irgendwelchen Tastatur-Profis zerrissen :D


    Auch wenn mir die Instrumente ein wenig fehlen bin ich froh nicht mehr in diesem Zirkus zu arbeiten.

  • hallo panikstajan ,

    ich bin da im prinzip bei dir. die händler, und vor allem der kunde! hatte es in der hand. ich kann mich aber noch gut an die preisabsprachen erinnern, die große online händler mit ihren zulieferern hatten, und verhältnismäßig gering gestraft wurden. da hat es die kleine örtliche klitsche besonders schwer. den die fingen die verlustmarge der zulieferer ab. naja, so ist dass leben.

    ich kaufe mein drumgear seit einiger zeit in polen, muziker.de und silesia drum.de.

    mfg

    "Alles was kleiner als 14" ist, sind keksdosen und aschenbecher.", Ballroom Schmitz (RIP)

    4 Mal editiert, zuletzt von silent bob ()

  • Betrifft ja nicht nur Musikalien-Händler. Das Sterben der Vor-Ort-Geschäfte ist nix neues, und zieht sich durch sämtliche Produktpaletten. Kaffeetrinkende Stammkunden, die zum Fachsimpeln auftauchen, halten einen Laden nicht am Laufen.

    Es ist so wie es ist. Das Rad kann man nicht mehr zurück drehen. Dafür gibt es Reportagen über Städteplaner, die jetzt vor der schwierigen Aufgabe stehen, Innenstädte trotz fehlendem Einzelhandel wieder attraktiv zu machen. Keine Ahnung, wie das funktionieren soll.

    "Ambition is a dream with a V8 engine" - Elvis Presley

  • Ich denke die Wahrheit liegt wieder zwischen den Welten...

    Die Erwartungshaltung, dass man im Umfeld seines Geschäfts nur Leute antrifft, die bereitwillig Geld ausgeben, ist halt auch schwierig. Man macht immer nebenbei kollateral-Angebote (wie rumlungern). Und wenn man unsere Spezies nüchtern beurteilt, muss man einkalkulieren, dass die Leute eben nicht gerne Geld bei einem lassen und wenn doch, dann möglichst wenig davon. Man darf eigentlich kein Geschäft aufmachen und sich dann über die Leute beschweren, die sich nicht im Sinne des Geschäfts verhalten. Kenne das von ein paar ganz etablierten Szenekneipen oder sowas wie Tätowierern, die es sich explizit rausnehmen (können!) zu sagen, dass sie es nur mit Menschen mit konstruktiver Konsumabsicht zu tun haben wollen - und dafür beim Publikum auch Rückendeckung haben.

    Ich glaube ein Musikladen, der ja auch ganz viele unbedarfte, junge Leute ansprechen will, kann halt nicht an die Tür schreiben: Wer hier nur labern und nichts kaufen will, kann sich direkt verp****n! ^^ Auch wenn das in Maßen eine angebrachte Message wäre... alles ein Geben und ein Nehmen... ich will mich ja auch als Kunde entspannen und tue mich dann auch mit dem Lockermachen meiner sauer verdienten oder angesparten Kohle leichter.



  • Wahre Worte!!! Danke, dafür!


    Wo wir hier schon dabei sind, lokale Händler auch hervorzuheben, dann sei auch das Drumcenter in Köln genannt.

    Nette Menschen, wahnsinnig viel Erfahrung und Ahnung, Fachwissen und Beratung. Service rund ums Schlagzeug gibt es auch und ganz viele tolle Instrumente.

  • Ich muss ehrlich sagen, dass auch bei mir natürlich nur der Preis der Grund ist warum ich nichts in Musikgeschäften kaufe. In meiner Nähe sind die Preise einfach immer locker 10% überm Thomann Preis und soweit geht die Nächstenliebe dann bei mir doch nicht. Auch wenn ich es Schade finde, nehme ich das sterben der Händler dafür gerne in Kauf.


    Ein Ausnahme war Just Music. Als es die noch in Hamburg gab, habe ich eigentlich alles versucht dort zu kaufen, da die Preise immer wie bei den anderen grossen Händlern waren und ich damit gehofft habe "lokale Geschäfte" zu unterstützen. Aber mehr als 1000 euro habe ich da bis damals wohl auch nicht gelassen :D

    Speed ist alles!

  • Just Music und Musik Produktiv lagen in der Regel auch ganz nah an Thomann und Musicstore…

    Letztere beiden sind nicht nur durch Kundennähe berühmt geworden:

    Bundeskartellamt - Homepage - Bundeskartellamt verhängt Bußgelder gegen Hersteller und Händler von Musikinstrumenten

    Als es JustMusic noch gab habe ich vor Ort tatsächlich am Ende eines seriösen Verkaufsgesprächs ein für beide Seiten akzeptablen Preis für mein SQ2 bekommen, auch in dem Glauben den Händler vor Ort damit zu unterstützen… hat halt nix gebracht.

    Ich habe übrigens 35 Jahre gebraucht um mich in diese Lokalität für einen echten Deal zu begeben.

    Die Verkäufer waren meist arrogant oder selber dem Zappelvirus unterlegen, das Publikum noch schrecklicher (Berlin Moritzplatz eben…) ich kann beide Seiten verstehen, die dem jeweiligen Geschäftspartner nichts zutrauen.

    Die Probleme sind vielschichtig:

    - relativ kostenintensives Instrumentarium

    - geringe Kaufkraft des Endusers / wieviel % des Jahregehaltes fließen in Instrumente?

    - geringe Marge

    - Qualität aus Deutschland hat deutsche Qualitätspreise

    - Halbwertszeit eines guten Schlagzeuges ist bei guter Pflege eher im Bereich von Jahrzehnten

    - Lagerkosten in Innenstädten sind zu hoch im Vergleich zu einem Versandzentrum

    - die Ausbildung als auch das Fachwissen eines Verkäufers werden leicht zumindest punktuell von einem echten „Nerd“ eingeholt, warum soll der dann in einen Laden gehen…

    - ein Musikgeschäft ist primär keine Selbsthilfegruppe, die Verkäufer sind keine Therapeuten

    - das Thema ist hochemotional da es um Musik mit starkem persönlichen Bezug geht.

    - in einer zunehmend digitalisierten Welt nimmt der Stellenwert von Musikschaffenden erstmal ab… (siehe sinkende Tantiemen für Musiker )

    … und noch so viel mehr…

  • Unser örtlicher Musikalienhändler hat sich auf Blasinstrumente und Noten spezialisiert. Schlagwerk ist kaum vorhanden, außer Orff-Instrumentarium und zwei Billigsets. Wenn man den Laden betritt, wird ins Obergeschoss telefoniert, dass da einer kommt, der Sticks kaufen möchte……da kauf ich einfach nicht ein.

  • Die Gründe sind vielseitig und jeder hat da wohl sein Päckchen dran. Wir kaufen alle sowieso zu viel und ersaufen im GAS.

    Ich habe meine 3 "neuen" Sets alle im "Fachhandel" gekauft, 2 direkt vor Ort im o. g. Drumhouse, eines in der Pfalz, zwar mit Versand, aber vom Musikhaus. Sogar mit dem Verein sind wir damals zum Local Dealer gefahren. Dazwischen gab es mal ein Proberaum Set, ein E-Drum Kit und das SPD-SX aus den Kleinanzeigen. Bei den Becken sieht es etwas anders aus, aber auch da kommt ein kompletter Satz aus dem lokalen Fachhandel, der Rest ist gebraucht und einige hatte ich tatsächlich von den "Großen" bezogen.

    Wenn nur immer wieder wir Kunden für das Sterben verantwortlich gemacht werden, dann muss ich fragen, ob wir 1. bei jedem Betreten eines "Schlagzeugladens" ein Drumset kaufen müssen und 2. ob es immer neu sein muss. Wenn ein Händler die Kleinanzeigen verteufelt, dann sollte er sich ja auch mal fragen, was mit dem Set passieren soll, wenn der nächste potentielle Kunde es nicht verkauft, bevor er sich bei ihm was neues zulegt.

    Das ist natürlich ein Teufelskreis: Zum Inspirieren lassen fehlt mittlerweile vielen Läden die Fläche und auch das vorrätige Material. Die meisten haben ihre Hauptmarken, von denen dann wenigstens viel, wenn auch nicht alles, dasteht. Das ist aber sogar im Thomann-Store so. Wenn du dich für was bestimmtes interessierst, sagen die wohl, sie holen es aus dem Lager, aber 3 mal machst du das auch nicht. Beim lokalen Händler gehst du noch weniger hin und lässt dir 3 mal was bestellen, wenn du keine echten Kaufabsichten hast. Ausgiebiges "Testen" im Laden und dann nicht kaufen macht man ja auch nicht.

    Andererseits möchte ich es mir auch erlauben lassen, auch "nur ein Paar Sticks" mitzunehmen und zu schauen, wenn ich mal in der Stadt bin. Da fahre ich aber halt auch nicht hin, wenn ich eben das nur brauche, sondern verbinde das allenfalls mit anderen Dingen und hoffe, dass das Geschäft dann offen hat.


    Vielleicht hat es auch was mit unserer aller Mentalität zu tun: Letztes Jahr war ich in Nashville in "Fork's Drum Closet". Wenn man da auf die zweite Ebene möchte, kommt man direkt an der Theke vorbei. Glaubt ihr, die hätten mich die Treppe hoch gehen lassen, ohne mir ein Paar Sticks in die Hand zu drücken und ausdrücklich zu sagen, ich solle alles ausprobieren? Die wussten ganz genau, dass ich Touri bin und kein Schlagzeug mit in den Flieger nehm.

    Four on the floor sind zwei zu viel.

    SONOR Vintage Series: 20", 22" BD; 14" Snare-Drum; 10", 12", 13" TT; 14", 16" FT

    PAISTE 2002, 2002 Big Beat, 602 Modern Essentials, PstX

    Next Gigs: 17.05.25 Mehlsack Emmendingen, 19.09.25 Haferkasten Kenzingen, 29.11.25 Heimathafen Lörrach mit >> Blackwood Mary

    >> Mein Vorstellungsthread

  • Thomann macht rund die Hälfte des kompletten deutschen Markts aus. Da ist klar, dass hier nicht mehr viele gut durch kommen.


    Thomann hat auch gut überzeugt bei den Hausmarken. Die sind einfach mittlerweile auf grundsolidem Niveau. Mein 130€ Bass von Thomann hat auch einen befreundeten Gitarrenbauer mehr als überzeugt. Die haben da in den letzten 15 Jahren soviel dazugelegt, dass man da einfach immer mehr gutes Zeug für lächerlich wenig Geld bekommt.

    Lies die FAQ und benutze die Suchfunktion!

  • Ich würde gerne im lokalen Fachhandel einkaufen, zumal der für mich fußläufig zu erreichen ist, leider hat dieser vor kurzem das Schlagwerk aus dem Programm genommen. Aber für einen Satz Saiten oder ein Kabel laufe ich da gerne mal rüber. Für den Sohn haben wir dort damals das Anfängerset Gitte und Amp gekauft und einige Jahre später gab es zum bestandenen Abi das Upgrade.


    Bei Gelegenheit muss ich mal den Weg nach Dortmund auf mich nehmen und kucken, was für ein Laden sich jetzt in den Räumlichkeiten von ehemals Jellinghaus niedergelassen hat.

    Normal ist, wie ich bin!

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